30. November 2020
Central Tibetan Administration (CTA), www.tibet.net

Von einem tibetischen Mönch aus Ngaba, der eineinhalb Jahre an einem geheimen Ort festgehalten wurde, fehlt jede Spur

Ein tibetischer Mönch aus der Gegend von Ngaba, der vor etwa einem Jahr und sieben Monaten von den Lokalbehörden festgenommen wurde, ist immer noch unauffindbar. Rinchen Tsultrim, ein Mönch des Klosters Nangshik in Ngaba, der sich nachdrücklich für die Erhaltung der tibetischen Sprache einsetzte, wurde einer zuverlässigen Quelle zufolge am 1. August 2019 festgenommen.

Zusammen mit Rinchen Tsultrim wurden zwei weitere Mönche aus Kordo, Bezirk Ngaba, festgenommen. Nach zwei Tagen wurden sie wieder freigelassen. Rinchen Tsultrim wurde jedoch der politischen Betätigung bezichtigt und von der Bezirkspolizei von Ngaba an einen unbekannten Ort gebracht. Trotz aller Bemühungen konnte Rinchen Tsultrims Familie seither nichts über seinen Verbleib und seinen Gesundheitszustand in Erfahrung bringen.

Acht Monate nach seiner willkürlichen Festnahme erhielt Rinchen Tsultrims Familie am 23. März 2020 eine offizielle Mitteilung auf Chinesisch, die ihn als Separatist beschuldigte. Die Mitteilung enthielt jedoch keine Information bezüglich seines Wohlergehens oder seines Aufenthaltsortes.

Rinchen Tsultrim, Polizei-Notiz vom 30.11.20

Wann immer die Angehörigen sich bei den Behörden erkundigten, bekamen sie differierende Angaben. Die Polizei sagte der Familie einmal, er würde in Chengdu, dann wieder in Markham oder in Ngaba festgehalten, was sie in große Unruhe versetzte. Sie machen sich jetzt sogar Sorge, ob er überhaupt noch am Leben ist. Berichte über durch Folter verursachte Todesfälle im chinesischen Gewahrsam sind nicht ungewöhnlich. So wurde vor einem Monat vom Tod von Lhamo berichtet, einer tibetischen Mutter dreier Kinder, die schwer zugerichtet in einem Polizeihospital im Bezirk Driru, Präfektur Nagchu, starb.

Die chinesischen Behörden müssen den Fall offenlegen und Rinchen Tsultrims Familie darüber informieren, wo er inhaftiert ist. Sowohl dem nationalen als auch dem internationalen Recht gemäß sollten die Behörden in Ngaba sein Wohlergehen sicherstellen und ihm ein Zusammentreffen mit seinen Angehörigen erlauben.

Der Mönch Rinchen Tsultrim wurde bereits 2018 festgehalten, weil er sich über den Instant Messaging Dienst WeChat mit Tibetern im Exil über Tibet betreffende Themen ausgetauscht hatte. Er rief die Tibeter stets dazu auf, ihre Sprache zu bewahren und sich für die Sache Tibets einzusetzen. Seine Festnahme letztes Jahr stand im Zusammenhang mit seiner Kommunikation mit seinen Landsleuten außerhalb Tibets am Geburtstag des 11. Panchen Lama, Gedhun Choekyi Nyima. Zudem hatte er angeblich mehrere religiöse Bücher von außerhalb Tibets importiert und per Post in verschiedene Teile Tibets geschickt. Seine Website, auf die er viele persönliche Schilderungen gestellt hatte, wurde wegen der auf Tibet bezogenen Inhalte geschlossen. Seine Schwester, die in Indien lebt, steht unter Beobachtung, denn sie gilt den Behörden als Aktivistin im Exil. Als Warnung haben die Behörden sogar ein Profilbild ihres festgenommenen Bruders auf ihrem WeChat Konto platziert. Ihre Familie in Tibet steht unter dem ständigen Druck der Behörden.

Rinchen Tsultrims Kindheitsfoto

Rinchen Tsultrim stammt aus der Familie Nyerwa-tsang, einem einfachen bäuerlichen Haushalt im Dorf Kashul, Bezirk Ngaba. Ngaba, das früher zur traditionellen Provinz Amdo gehörte, bildet jetzt einen Teil der Provinz Sichuan. Der 29jährige Mönch Rinchen Tsultrim ist eines von fünf Kindern von Tashi Dhondup und Tsomo. Er hat die bedeutenden Philosophien der Bön-Religion studiert. Mit sechs Jahren kam er in das Kloster Nangshik, das eines der größten Zentren für Bön-Studien darstellt. Er ist intelligent und war von klein auf sehr fleißig. Er setzt sich vor allem für die tibetische Sprache und die Interessen der tibetischen Bevölkerung ein. Er kennt sich auch im internationalen Zeitgeschehen und der Geschichte aus. Er ist offen und aufgeschlossen und sehr beliebt, besonders bei den Leuten in seinem Dorf und seinem Kloster.

Er ist jemand, der daran glaubt, daß das traditionelle tibetische Wissen in Verbindung mit der modernen Erziehung eine bedeutende Wendung zum Besseren bringen könnte. Darüber hinaus räumt er ein, daß Normen, die nicht mit dem modernen Leben und Denken in Übereinstimmung zu bringen sind, angepaßt werden sollten. Er versteht, daß Tibets Hoffnung auf die Zukunft darin besteht, die tibetische Sprache weiterzuentwickeln und sich ein Fundament im traditionellen tibetischen Wissen zu schaffen. Seine Vorstellung vom Patriotismus einer Nation besteht darin, ob und wie das Volk seine eigene Sprache bewahrt. Seine endlose Liebe zu seinem Land, Tibet, ist in allen seinen Schriften, Diskussionen und Reden klar zu erkennen.