19. November 2021
Central Tibetan Administration, https://tibet.net/

Xi Jinpings Krieg gegen den tibetischen Buddhismus

Von Dhondup Rekjong


Peking will, daß künftige Lamas und Mönche den Glauben nur noch auf Mandarin lernen.


Die Kommunistische Partei Chinas hat kürzlich eine bahnbrechende Resolution verabschiedet, in der die Errungenschaften des Landes unter Präsident Xi Jinping gepriesen werden. Das Kommuniqué, das nach dem Sechsten Plenum in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, macht deutlich, daß Xis ohnehin schon umfassende Macht noch wachsen wird. Die Auswirkungen werden auf der ganzen Welt zu spüren sein, aber nur wenige Volksgruppen werden so sehr darunter leiden wie die Tibeter.

In dem Kommuniqué der Partei wird achtmal von „nationaler Verjüngung“ gesprochen. Der Begriff mag harmlos, wenn auch ein wenig nationalistisch klingen. Doch ein Schlüsselelement der nationalen Verjüngung ist die Vereinheitlichung, die nach Pekings Ansicht die Zerstörung von Minderheitenkulturen erfordert. Die Tibeter, die sich seit mehr als 60 Jahren gegen die Versuche der Partei wehren, ihre Identität auszulöschen, kennen die Gefahr der „nationalen Verjüngung“ nur zu gut.

Im Laufe der Jahrzehnte hat die Zentralregierung sowohl durch Zwangsmaßnahmen als auch durch friedliche Strategien Tibet in ihr politisches System integriert. Um die Tibeter umfassend kontrollieren und die Bodenschätze Tibets leichter abbauen zu können, griff die Regierung zu politischen Maßnahmen wie der Einführung eines einsprachigen Schulsystems, der Umerziehung der Mönche und Nonnen, der Umsiedlung der Nomaden, zu Bergbauprojekten, Landneuverteilung und der Pflicht der Haushaltsregistrierung für ethnische Minderheiten. Keine dieser Maßnahmen waren so richtig erfolgreich, um den Tibetern Loyalität zu Peking einzupflanzen, doch sie hatten eine abträgliche Wirkung auf die Sprache, die Religion, die Umwelt, die Wirtschaft und Politik in der Region.

Bei der Konferenz der Zentralen Einheitsfrontarbeit erklärte Xi vor etwa 6 Jahren: „Um die Religionen aktiv an eine sozialistische Gesellschaft heranzuführen, müssen wir uns in Richtung Sinisierung bewegen“. Auch bei dem Siebten Tibet-Arbeitsforum 2020 räumte der Präsident diesem Thema vorderste Priorität ein, und sagte, daß „ein jeder sich angestrengt bemühen muß, um den tibetischen Buddhismus zu sinisieren“. Was bedeutet dies in der Praxis?

Im September organisierte die Regierung eine Konferenz an der Buddhistischen Akademie von Xining, der größten Stadt auf dem tibetischen Plateau, bei der es darum ging, wie man die Klöster dazu bringen kann, buddhistische Texte ins Chinesische zu übersetzen. Anwesend waren über 500 Personen aus Religion und Politik, von tibetischen und chinesischen Universitäten, Akademiker und von anderen Bildungseinrichtungen. Mindestens 35 akademische Abhandlungen über die Sinisierung des tibetischen Buddhismus wurden präsentiert.

Die in Xining diskutierten Themen sind von zentraler Bedeutung, doch die meisten westlichen Medien berichteten nichts über die Konferenz. Und was noch erschreckender ist, sogar Gelehrte für tibetischen Buddhismus scheinen sich der Bedeutung der Zusammenkunft nicht bewußt zu sein. Jeder, der sich für den tibetischen Buddhismus interessiert, sollte die wahren Implikationen dieser Sinisierungsstrategie verstehen. Ihr Ziel ist nichts weniger als die Demolierung einer Sprache, die von den tibetischen monastischen und Laien-Gemeinschaften seit über einem Jahrtausend bewahrt wurde.

Diese Kampagne würde einen wesentlichen Bestandteil der tibetischen Kultur in Gefahr bringen, indem jedem einzelnen Tibeter die für unser Erbe zentralen Texte unzugänglich gemacht werden. Ich erinnere mich, wie ich als Kind den auf Tibetisch betenden Mönchen lauschte. Wenn diese Politik erst einmal greift, dann werden die Kinder in meinem Dorf ihre Sprache niemals mehr hören. Meine drei Neffen und zwei Onkel, die lokalen Klöstern in unserer Gegend angehören, wären ebenfalls sehr betroffen. Meine Großeltern und ihre Vorfahren hätten sich nie vorstellen können, Gebete auf Chinesisch zu rezitieren oder Sutras auf Chinesisch zu lesen.

Einige werden das Projekt der Übersetzung buddhistischer Texte ins Chinesische vielleicht als ein bloßes Experiment verstehen. Schaut man sich jedoch die Geschichte der repressivsten und schädlichsten politischen Maßnahmen und Verordnungen der kommunistischen Partei an, dann begannen sie oft als scheinbar harmlose „Experimente“. Wenn die Zentralregierung merkt, daß diese Praxis funktioniert, warum sollte sie sie dann nicht in größerem Maßstab einsetzen? Man sollte nicht glauben, daß dieses jüngste Projekt nicht zu noch größerer Unterdrückung führen wird.

Pekings Feldzug gegen den tibetischen Buddhismus hat drei Ziele: die tibetische Lehre durch die Übersetzung der heiligen Texte ins Chinesische direkt kontrollieren zu können, den tibetischen Buddhismus in einen chinesischen Buddhismus zu verwandeln und mit dem florierenden tibetischen Buddhismus im Westen in Wettstreit zu treten. In Abwesenheit eines vereinten Widerstands gegen Chinas jüngste Bestrebungen geht die Welt das Risiko ein, die Vitalität der tibetischen Sprache als ein Medium des kulturellen Gedächtnisses und der Gelehrsamkeit, ja sogar das aufs Spiel zu setzen, was die eigentliche Existenz des tibetisch-buddhistischen Mönchstums ausmacht.

Dhondup Rekjong ist ein tibetischer Stipendiat und Doktorand in religiösen Studien an der Northwestern University in Illinois.