5. August 2002
Free Tibet Campaign

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Vier der "Drapchi 14" Nonnen kamen 2002 frei

Unlängst wurde von TIN bestätigt, daß vier der "Drapchi 14" Nonnen in den letzten Monaten entlassen wurden, was die Zahl der 2002 vorzeitig freigelassenen politischen Gefangenen auf sechs erhöht. Am 21. Juni wurde Ngawang Choezom neun Monate vor dem Ende ihrer Haftstrafe entlassen und war somit die vierte der "Drapchi 14", die aus dem Gefängnis frei kamen. "Drapchi 14" ist eine Gruppe von Nonnen, die 1993 insgeheim Unabhängigkeitslieder auf eine Cassette aufnahmen, die dann aus der Anstalt geschmuggelt wurde. Als die Gefängnisleitung dies herausfand, wurden bei allen die Haftzeiten verlängert. Nur drei der ursprünglichen Beteiligten, die bekanntesten der "Drapchi 14", sind noch im Gefängnis, und alle drei haben bereits 10 Jahre Haft hinter sich gebracht: Ngawang Sangdrol, Phuntsog Nyidrol und Namdrol Lhamo. Weitere Informationen zu "Drapchi 14" finden sich unter: www.drapchi14.org/drapchi14.

Ngawang Choezom wurde ursprünglich wegen "subversiver Aktivitäten" zu 5 Jahren verurteilt, nachdem sie im März 1992 an einer friedlichen Demonstration beteiligt gewesen war. Ihre Haftstrafe wurde wegen der Rolle, die sie bei der heimlichen Aufnahme der Unabhängigkeitslieder gespielt hatte, um 6 Jahre verlängert. Als sie, vermutlich ebenfalls aus medizinischen Gründen, entlassen wurde, hatte sie bereits 10 Jahre ihrer 11-jährigen Strafe hinter sich. Die drei anderen "Drapchi 14" Nonnen, die Anfang 2002 freigelassen wurden, sind Gyaltsen Drolkar und Tenzin Thubten, deren Entlassung im August 2002 anstand, sowie Ngawang Choekyi, deren Haftzeit 2005 zu Ende gegangen wäre. Sie waren ursprünglich für ihren friedlichen Protest hinter Gitter gesetzt worden und sie erlitten im Drapchi Gefängnis schwere Mißhandlung, besonders auf die Vorfälle vom 1. und 4. Mai 1998 hin.

Hinsichtlich der übrigen "Drapchi 14" Nonnen nimmt man an, daß Palden Choedron und Ngawang Tsamdrol wahrscheinlich nicht mehr im Gefängnis sind, da ihre Haftstrafen im Januar und Mai 2002 zu Ende gingen. Zwei andere Nonnen waren bereits 1999 entlassen worden. Die 14. Nonne, Ngawang Choekyi, starb gerade ein Jahr vor Vollendung ihrer Strafe im Februar 2001 an akuter Pankreatitis, Atembeschwerden und Herzversagen, was den Auswirkungen von Folter, Mißhandlung und der mangelnden ärztlichen Betreuung der Insassen in Drapchi zuzuschreiben ist.

Der erste profilierte politische Häftling, der dieses Jahr aus gesundheitlichen Gründen und auf Grund von internationalen Kampagnen entlassen wurde, war Ngawang Choephel im Januar. Im März 2002 wurde der 74-jährige Jigme Sangpo, der Gefangene, der mit 28 Jahren am längsten in Tibet hinter Gittern saß, ebenfalls aus medizinischen Gründen entlassen. China erlaubte Jigme im Juli 2002, ebenso wie Ngawang Choephel zuvor, Tibet zur ärztlichen Behandlung zu verlassen und in die USA zu reisen. Es handelt sich um einen höchst ungewöhnlichen Schritt, weil China normalerweise politischen Langzeit-Gefangenen wie Jigme wegen ihrer Erlebnisse im Gefängnis nicht erlaubt, aus Tibet auszureisen. Eine Aussage Jigmes nach seiner Ankunft in den USA läßt darauf schließen, daß seine Freilassung das Resultat des internationalen Druckes ist: "Meine Entlassung aus medizinischen Gründen durch die chinesische Regierung... und meine Ankunft in den Vereinigten Staaten am 13. Juli sind ein Triumph von Frieden, Gerechtigkeit und Menschenrechten. Sie ist auch das Ergebnis jahrelanger Kampagnenarbeit und des Druckes, der von Tibet-Unterstützungsgruppen, Regierungen, Einzelpersonen und öffentlichen Organisationen in der internationalen Gemeinschaft, ebenso innerhalb wie auch außerhalb Tibets ausging".

Im Laufe des bilateralen Dialogs zwischen Großbritannien und China im Mai 2002 stellte sich heraus, daß Ngawang Sangdrols Strafe um eineinhalb Jahre reduziert worden war, weil sie "Anzeichen von Reue" gezeigt hätte. Regierungsvertreter sagten, sie würde am 3. November 2001 entlassen, was im Widerspruch zu früheren Informationen steht, daß ihr Urteil nach dreimaliger Verlängerung 23 Jahre betrage. Auch Phuntsog Nyidrols Strafe wurde aus ähnlichen Gründen um ein Jahr vermindert, womit sie nach 16 Jahren im Gefängnis 2005 entlassen wird. Namdrol Lhamo verbüßt 12 Jahre und ihre Entlassung steht 2004 an.

TIN dokumentierte, daß die Anzahl an politischen Gefangenen rückläufig ist, weil einige der Langzeit-Häftlinge inzwischen ihre Strafen abgebüßt haben. Die Abwesenheit von Protesten, wie sie für Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre typisch waren, und die Tatsache, daß es weniger neue politische Gefangene gibt, machen deutlich, bis zu welchem Grad es China gelungen ist, Proteste jeglicher Art schnell und erbarmungslos niederzuschlagen. Die Entlassung der politischen Gefangenen und die Rückführung in ihre Gemeinschaft gibt den Behörden außerdem die Möglichkeit, sie weiterhin zu belästigen und einzuschüchtern; vielleicht wollen sie damit auch anderen Tibetern demonstrieren, wie mit Dissidenten verfahren wird.

Das Leben bleibt auch in der Folge für die politischen Gefangenen sehr hart. Mönche und Nonnen, die Mehrheit der Gefangenen, dürfen nach der Entlassung nicht mehr in ihr Kloster zurückkehren, und wegen ihrer Vergangenheit im Gefängnis ist es ihnen fast unmöglich, Arbeit zu finden.

Andererseits könnten diese vorzeitigen Entlassungen auch ein Zeichen für den wachsenden Druck auf China sein, politische Gefangene zu entlassen; oder China befürchtet, daß die fortgesetzte Inhaftierung dieser Leute seinem guten Ruf Abbruch tun könnte. Bedeutsam ist, daß Xinhua im Mai 2002 eine Reihe von Artikeln veröffentliche, die ein "rosigeres" Bild des Gefängnisses zeichnen, um die Zeugnisse von Folter und Mißhandlung zu entkräften, die von ins Exil geflohenen politischen Gefangenen abgegeben wurden. Anstoß zu dieser Artikelserie scheinen die vielen Briefe aus dem Ausland gewesen zu haben, in denen die Entlassung politischer Gefangener und die Verbesserung der Verhältnisse in den Gefängnissen gefordert wird. Diese Artikel erschienen zudem zeitgleich mit einer von Free Tibet Campaign und Amnesty International organisierten internationalen Vortragstournee zweier tibetischer Nonnen, Chuye Kunsang und Passang Lhamo. Chuye und Passang hatten vier bzw. fünf Jahre in Drapchi verbracht und persönlich die Schrecken der Gefangenschaft durchgemacht. Sie berichteten, daß alle politischen Häftlinge, die bei den Protesten vom 1. und 4. Mai 1998 dabei gewesen waren, so fürchterlich geschlagen wurden, daß sie permanente gesundheitliche Schäden davontrugen.

Ihr und unser Kampf um die Menschenrechte der Tibeter muß weitergehen. Bitte handeln Sie jetzt!

Schreiben Sie an die Zentral- und Regionalregierung, sowie an die Gefängnisverwaltung und fordern Sie die sofortige Entlassung von Ngawang Sangdrol, Phuntsog Nyidrol und Namdrol Lhamo, sowie aller anderen politischen Häftlinge. Bringen Sie Ihre Besorgnis über die anhaltende Praxis der Folterung und Mißhandlung im Drapchi Gefängnis zum Ausdruck und fordern Sie deren sofortiges Ende.

Weisen Sie darauf hin, daß Ngawang Sangdrol, Phuntsog Nyidrol und Namdrol Lhamo sehr jung waren, als sie verurteilt wurden, und daß ihr Gesundheitszustand schlecht ist. Sie verbüßten bereits 10 Jahre ihrer Strafe, und die Aufnahme der Lieder, deretwegen ihre Strafen verlängert wurden, erfolgte 1993. Das Strafmaß bei Ngawang Sangdrol beträgt im Augenblick 19 Jahre, bei Phuntsog Nyidrol 16 Jahre und bei Namdrol 12 Jahre.

Schicken Sie bitte auch Kopien Ihrer Briefe an die Xinhua Nachrichtenagentur, was vielleicht zu weiteren vorzeitigen Entlassungen beitragen könnte. Schicken Sie ebenfalls eine Kopie Ihres Briefes an den chinesischen Botschafter Ihres Landes.

  1. Ministry of Justice
    Zhang Fusen Buzhang
    Sifabu
    Xiaguangli
    Beijingshi 100 016
    People"s Republic of China
    (Anrede: Your Excellency)

  2. Director of Tibet Justice Dept.
    Meng Deli Juzhang
    Sifabu
    Duodilu
    Lasashi 850 000/Xizang Zizhiqu
    People"s Republic of China
    (Anrede: Dear Director)

  3. Tibet Autonomous Regional Prison No. 1/Drapchi:
    Jianyuzhang (Prison Governor)
    Xizang Zizhiqu Di Yi Jianyu (Tibet Autonomous Regional Prison No. 1)
    Lasashi 850 003 (Lhasa City 850 003)
    Xizang Zizhiqu
    People"s Republic of China

  4. The Chinese Ambassador to the UK:
    His Excellency, the Ambassador
    48-51 Portland Place
    London W1N 3AH
    (Anrede: Your Excellency)

  5. Xinhua News Tibet Branch:
    Xizang Xinhua
    Lasashi 850 000
    Xixang Zizhiqu
    People"s Republic of China
    Phone/fax +86 8911 632 2312

  6. Herrn Botschafter
    Lu Qiutian
    Botschaft der Volksrepublik China
    Märkisches Ufer 54
    10179 Berlin