15. November 2009
Free Tibet
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Magazine "Free Tibet" Autumn 2009

Die Verschwundenen in Tibet: Über eintausend Personen werden vermisst

"Verschwindenlassen bedeutet die Festnahme, den Entzug der Freiheit, die Entführung oder jede andere Form der Freiheitsberaubung durch Bedienstete des Staates oder durch Personen oder Personengruppen, die mit Ermächtigung, Unterstützung oder Duldung des Staates handeln, gefolgt von der Weigerung, diese Freiheitsberaubung anzuerkennen, oder der Verschleierung des Schicksals oder des Verbleibs der verschwundenen Person, wodurch sie dem Schutz des Gesetzes entzogen wird“.

UN-Erklärung über den Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen

Im März und April 2008 erlebte Tibet die größten und umfassendsten Protestaktionen seit 50 Jahren. Chinas Reaktion darauf war schnell und brutal. Heute herrscht in ganz Tibet ein Klima der Furcht. Man schätzt, daß über 6.000 Tibeter in Verbindung mit den Demonstrationen festgenommen wurden. Das Schicksal von über 1.000 Personen liegt immer noch im Dunkeln. Es besteht große Sorge um ihr Wohlergeben, denn die Erfahrung zeigt, daß Personen, deren Verbleib unbekannt ist, besonders in Gefahr stehen, gefoltert und mißhandelt zu werden, denn sie befinden sich außerhalb der Reichweite des Schutzes des Gesetzes.

Die chinesische Regierung hat keine Zahlen veröffentlicht, und Berichte in den chinesischen staatlichen Medien weichen voneinander ab, was die Zahlen der Festgenommenen, Freigelassenen und Angeklagten betrifft. So berichtete China Daily am 21. Juni 2008, die Behörden hätten bis zum 9. April 2008 von den 4.434 festgenommenen „Randalierern“ 3.072 freigelassen. Einer Analyse der China-Exekutivkommission des US-Kongresses (CECC) zufolge bleibt der Status von mindestens 1.200 Tibetern weiterhin unbekannt.

Weder Free Tibet noch irgendwelche anderen Organisationen sind in der Lage, die genaue Zahl der Gefangenen zu bestimmen, da unabhängigen Medien und Menschenrechtsbeobachtern der Zugang zu Tibet hartnäckig verweigert wird. Eine permanente Atmosphäre der Furcht und die außerordentlich harte Bestrafung derjenigen, die angeklagt wurden, weil sie Informationen an Journalisten und NGOs geliefert haben sollen, führten zu einer beträchtlichen Selbstzensur.

Das Schicksal der eintausend Verschwundenen

In der Zeit März/April 2008 wurden die meisten Tibeter wegen gewaltloser Protestaktionen festgenommen. Tsering Tsomo, eine 27jährige Nonne wurde verhaftet, weil sie in der Stadt Kardze Flugblätter mit der Forderung nach der Rückkehr des Dalai Lama verteilt hatte. Die Polizei schlug sie brutal zusammen und führte sie dann ab. Der tibetische Nomade Sangey Tashi wurde festgenommen, weil er eine tibetische Flagge geschwenkt hatte. Mehrere Mönche vom Jokhang Tempel und Kloster Labrang, die mit ausländischen Journalisten offen über die fehlenden Menschenrechte in Tibet sprachen, werden immer noch vermißt.

Andere Tibeter erleiden in Gefängnissen Unsägliches, nur weil sie Flugblätter mit der Forderung nach Freiheit herstellten und verteilten, weil sie Informationen über die schreckliche Lage in Tibet nach außen sandten, oder weil sie die verbotene tibetische Flagge hochhielten, Bücher und Videofilme des Dalai Lama besaßen oder die tibetische Nationalhymne auf ihre Mobiltelefone herunterluden.

Viele werden aus undurchsichtigen Gründen festgehalten. Hier nur ein Beispiel.

Ngakchung (chin. A Qing) ist ein 38jähriger Mönch aus Serthar Larung, einer der größten Klosteranlagen in Tibet, der nun schon seit 15 Monaten verschwunden ist.

Ngakchung wurde zusammen mit zwei Verwandten, Taphun und Gudrak, am 7. Juli 2008 von einigen Polizisten in Zivil des Public Security Bureau der Provinz Sichuan festgenommen, während er sich gerade in einem Restaurant in der Stadt Chengdu aufhielt. Mehrere Personen wurden Zeugen des Vorfalls. Alle drei sind Mönche des Klosters Serthar Larung Gar.

Drei Wochen später wurden Taphun und Gudrak in Chengdu ohne Anklageerhebung wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Behörden hatten sie intensiv verhört, um herauszufinden, ob sie in die Protestaktionen vom Frühjahr 2008 verwickelt waren. Den mit ihnen festgenommenen Ngakchung haben sie in dieser Zeit kein einziges Mal gesehen.

Verwandte von Ngakchung und andere Angehörige des Klosters wandten sich, in wachsender Sorge um Ngakchungs Zustand und Verbleib, mit der Bitte um Auskunft an die Bezirks- und Präfekturverwaltungen und die Polizei auf Provinzebene. Die Auskunft wurde ihnen jedoch verweigert.

Drei Monate nach der Festnahme bestätigte die Bezirkspolizei von Serthar Ngakchungs Mutter, daß ihr Sohn inhaftiert sei. Der Grund dafür sei, daß er Informationen über die Demonstrationen vom März 2008 ans Ausland geliefert habe. Die Beamten sagten seiner Mutter, sie würden nichts über seinen Aufenthaltsort bekannt geben, solange er sich nicht zu seiner Tat bekenne.

Free Tibet hat eine Slide Show mit einigen dieser Gesichter, von denen es Bilder gibt, zusammengestellt: http://www.freetibet.org/campaigns/missing-1000.
Die meisten der über eintausend Verschwundenen bleiben namenlos und unbekannt und ohne Bilder.

Free Tibet bittet darum, daß Tibet-Freunde an den Botschafter Chinas schreiben bezüglich der verschwundenen Tibeter und die Beantwortung von zwei einfachen Fragen fordern.

-          Wie viele Tibeter wurden seit den Protestaktionen vom Frühjahr 2008 in den 49 Bezirken, in denen es zu solchen kam, festgenommen? (How many Tibetans have been detained since the 2008 spring protests in the 49 county-level areas where protests took place?)

-          Was ist der gegenwärtige Aufenthaltsort und der Status aller bis zum heutigen Tag festgenommenen Tibeter? (What is the current location and status of all Tibetans detained to this day?)

Botschaft der Volksrepublik China
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