9. Dezember 2009
International Tibet Support Group Network (ITSN)
www.tibetnetwork.org, +44 7711 843884

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Pressemitteilung

Tibeter in Tibet fordern eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen einen zu lebenslänglich verurteilten religiösen Würdenträger

Hunderte von Tibetern in Osttibet fordern eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den hochverehrten Mönch und buddhistischen Lehrmeister Tenzin Delek Rinpoche, der in einem chinesischen Gefängnis eine lebenslängliche Haftstrafe verbüßt. Berichten zufolge gehören zu den Bittstellern auch fünf von Tenzin Deleks Verwandten, die kürzlich nach Peking reisten, um dort eine von 30.000 Personen unterschriebene Petition zu seinen Gunsten einzureichen (1).

Seit dem 5. Dezember versammelten sich mehrere Hundert Tibeter in und um sein Heimatdorf Orthok, Bezirk Nyagchuka, Präfektur Kardze (chin. Yajiang Xian, Präfektur Ganzi, Provinz Sichuan), in Kham. Sie demonstrierten völlig friedlich und veranstalteten Hungerstreiks für ihren inhaftierten spirituellen Lehrer. Über 90 von ihnen seien festgenommen worden.

Tulku Tenzin Deleg
(Bild von Guchusum)

Tenzin Delek Rinpoche wurde im Dezember 2002 einer Verschwörung gegen den Staat angeklagt und im Zusammenhang mit einem Sprengstoffanschlag in Chengdu zum Tode verurteilt, aber er hat von Anfang an sowie auch später im Gefängnis immer seine Unschuld betont (2). Auf eine internationale Kampagne zu seinen Gunsten hin wurde das Urteil im Januar 2005 in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt. Die Tibeter seiner Gegend hängen sehr an Tenzin Delek; das, was in den letzten Tagen passierte, zeigt, daß sie weiterhin um eine Wiederaufnahme des Verfahrens kämpfen (3). Indessen haben die chinesischen Behörden Sicherheitskräfte in großer Zahl bereitgestellt, um der Protestaktion ein gewaltsames Ende zu bereiten.

“Dies ist ein bemerkenswertes öffentliches Bekenntnis zu Tenzin Delek Rinpoche, besonders angesichts der heutzutage massiven Militärpräsenz in Tibet”, sagte Tenzin Dorjee, der Geschäftsführer von Students for a Free Tibet. “Die Tibeter in der Gegend haben niemals akzeptiert, daß dieser buddhistische Mönch, der sein Leben dem Wohlergehen seiner Gemeinschaft sowie dem Schutz der Umwelt widmete, eines gewaltsamen Verbrechens überführt würde, und um seine Freilassung zu erwirken, gehen sie nun ein sehr hohes Risiko für Leib und Leben ein”.

Aus Tibet verlautet, daß fünf Angehörige von Tenzin Delek vor einigen Wochen nach Peking reisten, um dort eine lange Petition einzureichen, in der ausgehend von drei Punkten eine neue Anhörung gefordert wird: Erstens, weil es keine Beweise gegen Tenzin Delek gibt, zweitens, weil er sich niemals schuldig bekannt hat, und drittens, weil ihm infolge einer geheimen Abmachung Verbrechen angehängt wurden, die er nie beging. In der Petition wird im Detail beschrieben, wie Tenzin Delek stets seine Unschuld beteuerte und um Hilfe bat, damit das Verfahren überprüft werde. So steht in der Petition: Als ein Familienglied ihn einmal im Gefängnis besuchen durfte, habe er geäußert: “Ich bin nicht verantwortlich für diese Explosionen noch habe ich irgendwelche anderen illegalen Handlungen begangen, das haben sie mir angedichtet. Ich habe die Menschen immerdar gelehrt, daß sie kein Lebewesen verletzten sollen, nicht einmal eine Ameise, wie kannich dann für so eine Handlung zur Rechenschaft gezogen werden? Wenn Berufung eingelegt werden könnte, dann bestünde Hoffnung, daß ich all dieser Anklagen enthoben würde.”

Wie es heißt, wurden Tenzin Deleks Verwandte gezwungen, von Peking wieder nach Hause zurückzukehren. Daraufhin begangen sie sich nach Chengdu, Sichuan, um sich eine gerichtliche Erlaubnis für einen Besuch bei ihm einzuholen. Einigen Berichten zufolge könnte diese Gruppe festgenommen worden sein, was jedoch noch nicht bestätigt werden konnte. Tenzin Deleg ist im Gefängnis Mianyang, Provinz Sichuan, inhaftiert. Sein gesundheitlicher Zustand hat sich in letzter Zeit sehr verschlechtert, er kann nur noch mit Mühe gehen und leidet infolge der in der Gefangenschaft durchgemachten Mißhandlungen unter Brustschmerzen und Herzproblemen.

Quellen aus dem Dorf Orthok und dem Bezirk Nyagchuka zufolge haben die Sicherheitskräfte in den letzten Tagen die Tibeter, die sich dort zu Hunderten vor dem Bezirksverwaltung versammelten, umstellt und viele von ihnen angehalten und festgenommen. Was weiter mit ihnen geschah, ist unklar.

Human Rights Watch zufolge wurden Tenzin Delek Rinpoche der Anwalt seiner Wahl und die Grundmenschenrechte verweigert. Die Beschuldigungen gegen ihn entbehren jeglicher Grundlage, weshalb zu Recht eine Wiederaufnahme des Verfahrens gefordert wird.

„Tenzin Delek Rinpoche bekam nie ein faires Verfahren, und nach sieben Jahren ist es jetzt höchste Zeit, daß sein Fall wieder aufgenommen und gemäß den internationalen Rechtsnormen ein neuer Prozeß eröffnet wird“, sagte der ehrw. Ngawang Woeber, der Präsident von Gu Chu Sum, einer Vereinigung ehemaliger politischer Gefangener (4).

Tibeter und ihre Unterstützer in aller Welt begehen am 10. Dezember den Internationalen Tag der Menschenrechte mit weltweiten Protestaktionen und Mahnwachen. 2009 sind es auch 20 Jahre her, seit der Dalai Lama mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde für seine weltweit gewürdigten Bemühungen, mit der chinesischen Regierung eine Lösung für Tibet auf dem Verhandlungswege zu erreichen.

Anmerkungen

(1) Eine ungekürzte Übersetzung der Petition ins Englische gibt es High Peals Pure Earth

Die Petition auf Chinesisch ist zu sehen auf Woesers Blog.

(2) Augenzeugen berichteten, daß Tenzin Delek Rinpoche während des Prozesses seine Unschuld klar und deutlich kundtat. In einer im Januar 2003, als er auf das Resultat der Berufung wartete, aus dem Gefängnis geschmuggelten Ton-Cassette sagte er: „Was auch immer die Regierung tut oder sagt, ich bin vollkommen unschuldig. Jeder weiß, was ich sage und praktiziere... Ich wurde zu Unrecht beschuldigt, weil ich immer aufrichtig war und mir die Interessen und das Wohl der Tibeter am Herzen lagen. Was ich tat und sagte, gefiel den Chinesen nicht. Das ist der einzige Grund, warum sie mich festgenommen haben… Ich habe immer betont, daß wir nicht einmal unsere Hand gegen andere erheben dürfen, denn es ist eine Sünde... Ich habe niemals Flugblätter oder Streitschriften verteilt oder heimlich Bomben gelegt. Solche Dinge kamen mir überhaupt nicht in den Sinn, denn ich habe keine Absicht, andere zu verletzen... ".

(3) Die Tibeter in der Gegend von Nyagchuka versuchten seit seiner Festnahme 2002 immer wieder, den Fall von Tenzin Delek den chinesischen Behörden vorzutragen. Im Mai 2007 machten sie sich in fünf Fahrzeugen auf den Weg nach Chengdu, um zu seinen Gunsten an die Behörden zu appellieren, doch sie wurden unterwegs angehalten und geschlagen. Danach standen die Bewohner der Gegend zwei Tage lang vor den Regierungsämtern und forderten Tenzin Deleks Freilassung.

(4) Der Arbeitsgruppe für politische Gefangene von ITSN gehören folgende Organisationen an: Students for a Free Tibet, Australia Tibet Council und Gu Chu Sum.