23. Mai 2011
Department of Information and International Relations, www.tibet.net

60 Jahre Siebzehn-Punkte-Abkommen: China gibt seine Invasion Tibets als „Befreiung“ aus

Am 23. Mai 2011 jährte sich die Unterzeichnung des sogenannten 17-Punkte-Abkommens zwischen der VR China und Tibet zum 60. Mal. Dieses kontroverse Dokument wurde den Tibetern gegen ihren Willen aufgezwungen und zwar unter der Drohung, daß ihr Land im Falle einer Nichtunterzeichnung militärisch angegriffen würde.

Umschlag des Abkommens, links Tibetisch, rechts Chinesisch

Seine Heiligkeit der Dalai Lama bemühte sich trotz der Tatsache, daß Tibet zu der Unterzeichnung genötigt worden war, nach besten Kräften, das Abkommen zu einzuhalten. Doch es war die chinesische Regierung, die es verletzte, indem sie mittels brutaler Gewalt jede Spur von Tibet und der Identität des tibetischen Volkes systematisch zu vernichten suchte. Der beispiellose Volksaufstand der Tibeter gegen die Repression Chinas 1959 war das Letzte, was noch gefehlt hatte, und führte zum Massaker von Zehntausenden von Tibetern und der Flucht Seiner Heiligkeit des Dalai Lama.

Kaum hatte er das Exil erreicht, wies Seine Heiligkeit der Dalai Lama am 18. April 1959 das Abkommen formell zurück.

Hugh Richardson, der als der letzte Repräsentant Großbritanniens in Tibet und als der erste des unabhängigen Indiens insgesamt neun Jahre in Tibet weilte, brachte in seinem Buch „Tibet und seine Geschichte“ die Sache auf den Punkt: „Dieses lange, tendenziöse Manifest, das als Präambel zu dem Abkommen dient, und das die Chinesen nutzten, um die Geschichte zu verfälschen und den Einsatz von Gewalt zu rechtfertigen, kann trotzdem nicht verbergen, daß Tibet bis vor kurzem ein eigenes Staatsgebilde war“.

Hugh Richardson sagte, die chinesische Regierung habe vor und während der Invasion Tibets „viel Propaganda über die Befreiung der tibetischen Leibeigenen von den unterdrückerischen Grundherren und über die Neuverteilung von Grund und Boden“ gemacht.

In der Tat war es die chinesische Regierung, die die Pläne Seine Heiligkeit des 14. Dalai Lama, weitreichende administrative und Landreformen einzuführen, hintertrieb. Er schlug vor, daß alle großen Grundbesitzungen von Klöstern und Einzelpersonen vom Staat erworben und an die Kleinbauern verteilt werden sollten. Er rief einen speziellen Reformausschuß ins Leben, der den Bauern die Last der Grundsteuer erleichtern sollte.

Später machte der Kommunistische Parteisekretär Hu Yaobang deutlich, daß die hochgepriesene Entwicklung, die China Tibet angeblich gebracht habe, reine Propaganda war. Nachdem er sich 1980 selbst von dem Ausmaß der Armut in Zentraltibet überzeugen konnte, forderte er, daß der Lebensstandard wieder auf die Höhe von vor 1959 gebracht werden sollte.

Die spontanen friedlichen Demonstrationen Ende der achtziger Jahren und die von 2008, die alle drei Provinzen Tibets erschütterten, zeugen von der Verbitterung und dem tiefsitzenden Groll, den die Tibeter in Tibet während der Jahrzehnte der Mißwirtschaft Chinas angesammelt haben.

Doch China meint, auch weiterhin mit der Entwicklung in Tibet und dem glücklichen Leben der Tibeter auftrumpfen zu können. Angesichts all der Berichte über die Menschenrechtsverletzungen, die derzeit in Tibet und besonders im Kloster Kirti in Ngaba vorkommen, muß China nun endlich internationale Medien und Ermittlungskommissionen in Ngaba zulassen.

Aber betrüblicherweise benutzt China den Jahrestag, um auf seine „Errungenschaften“ in Tibet hinzuweisen, um dann damit die fortgesetzte Okkupation Tibets zu rechtfertigen.

Mao begrüßt Ngabo Ngawang Jigme, den Vertreter der Regierung Tibets, einen Tag nach der Unterzeichnung des Abkommens (Archivbild)

Mit welchem Tamtam auch immer China den Jahrestag dieses berüchtigten Abkommens begehen wird, so ist es doch eine offenkundige Tatsache, daß der Kampf des tibetischen Volkes um eine bessere Zukunft im Laufe dieser 60 Jahre immer mehr zugenommen hat. Die Feier des 60jährigen Bestehens dieses Abkommens wird die an dem tibetischen Volk von der Besatzungsmacht begangenen Grausamkeiten gewiß nicht abwaschen.

60 Jahre nach der sogenannten friedlichen Befreiung Tibets setzen die Tibeter immer noch ihr Leben aufs Spiel, und fliehen über die höchsten Berge der Welt, um in die Freiheit zu gelangen. Dies zeigt deutlich, daß die Tibetfrage für das tibetische Volk gewiß noch lange nicht erledigt sein wird. Ihr Kampf dafür, Tibets Religion, Kultur, Sprache und Umwelt zu erhalten und in ihrem eigenen Land in Würde und Freiheit leben zu können, wird an Kraft eher noch zunehmen.

Im Namen der zweiten Allgemeinen Tibetischen Nationalversammlung 2011, am 23. Mai 2011, in Dharamsala.

International Tibet Network (ITN), London, veröffentlichte in Anlehnung an die 17 Punkte des Abkommens einen Bericht von 17 „Punkten der Unstimmigkeit“, der in 17 Kategorien die Mißstände in Tibet in Stichworten wiedergibt. Die deutsche Übersetzung steht auf unserer Website, dort gibt es auch pdf-Dateien des von ITN formatierten englischen und des deutschen Textes zum Download.

In einer attraktiven Darstellung mit vielen Bildern gibt es diesen Bericht auf zwei neuen Seiten von ITN unter http://www.ChinasFailedTibetPolicies.org, http://www.17PointsofDisagreement.org