21. April 2021
Free Tibet Campaign, www.freetibet.org, Radio Free Asia, www.rfa.org

Im Hinblick auf die Hundertjahrfeier der KPC verhaftet die chinesische Polizei sechs angesehene Tibeter

Der Verbleib der festgenommenen tibetischen Schriftsteller und ehemaligen politischen Gefangenen bleibt unbekannt.

Im Zuge der erneuten Welle von Razzien in Tibet seit Anfang des Jahres wurden zwischen Ende März und Anfang April im Bezirk Serthar, Tibetisch-Autonome Präfektur Kardze, sechs prominente Tibeter - ehemalige politische Gefangene und Schriftsteller - heimlich verhaftet. Die massiven Einschränkungen der Kommunikation machten es für die Quellen von Tibet Watch unmöglich, die Identität von zwei von ihnen zu ermitteln. Details über alle ihre derzeitigen Aufenthaltsorte bleiben unbekannt.

Im Vorfeld der Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und dem siebzigsten Jahr der chinesischen Besetzung Tibets ergreifen die Behörden in Tibet präventive Maßnahmen, um einen reibungslosen Ablauf der Hundertjahrfeier zu gewährleisten. Sie fordern auch mit Nachdruck die Teilnahme der Tibeter an den vorgesehenen Programmen, um der lokalen und globalen Öffentlichkeit die chinesische Darstellung, die Tibeter seien unter der KPCh-Herrschaft glücklich, glaubhaft zu vermitteln. 

Gangkye Drubpa Kyab

Einer der Verhafteten ist Gangkye Drubpa Kyab, auch bekannt als Gangme Thak, ein junger tibetischer Schriftsteller und ehemaliger politischer Gefangener, der am Abend des 23. März 2021 um etwa fünf Uhr lokaler Zeit festgenommen wurde. Seine Schriften wurden in vielen Magazinen und Büchern veröffentlicht. Er hat auch über den tibetischen Widerstand geschrieben.

Gangkye Drubpa Kyab

Bereits zuvor war er von der Polizeibehörde des Bezirks Serthar am 15. Februar 2012 wegen seiner Aktivitäten verhaftet worden. Die Behörden beschuldigten ihn damals des Separatismus und „illegal Informationen ins Ausland zu schicken“. Am 16. September 2016 wurde er nach Verbüßung einer fünfjährigen Haftstrafe entlassen, jedoch bald wieder für 17 Tage in Haft genommen, weil er bei der Empfangszeremonie, die seine Familie und die Gemeinschaft für ihn organisiert hatten, ein Bild des Dalai Lama über seinen Kopf gehalten hatte. Aufgrund der exzessiven Schläge und der mangelnden Ernährung während der Haft brach seine Gesundheit zusammen, er litt unter Sehschwäche und Gedächtnisverlust und bekam Herz- und Nierenprobleme.

Gangkye Drubpa Kyab wurde 1979 in der Präfektur Kardze, Bezirk Serthar, geboren Er ist der Sohn von Thupten Nyima und Wangthang Dolma und mit Wangchuk Lhatso verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder.

Sey Nam

Sey Nam, ein tibetischer Autor und Umweltschützer, wurde ebenfalls am 23. März heimlich verhaftet. Details über den Grund seiner Festnahme und seinen Gesundheitszustand werden von den chinesischen Behörden nicht herausgegeben.

Sey Nam

Schon davor wurde er am 15. September 2020 von den chinesischen Behörden des Bezirks Serthar, Präfektur Kardze, zusammen mit zehn anderen Tibetern verhaftet, weil er ein Forum über das Wohlergehen tibetischer Eltern im Schneeland betreut hatte. Er ist der Sohn von Dungkar und der Name seiner Mutter ist Liutso.

Gangbu Yudrum

Der tibetische Aktivist Gangbu Yudrum aus dem Bezirk Serthar wurde am 22. März 2021 verhaftet, wobei sein Aufenthaltsort und die Gründe für die Verhaftung ebenfalls nicht genannt wurden. Er saß schon zuvor im Gefängnis wegen seiner Rolle bei den tibetischen Protesten 2008 in seiner Region, bei denen er die verbotene tibetische Flagge gehißt und die Rückkehr des tibetischen geistlichen Oberhaupts, des vierzehnten Dalai Lama, gefordert hatte.

Gangbu Yudrum

Er wurde zwar am 19. Februar 2011 wieder freigelassen, aber am 14. Mai 2012 erneut verhaftet und für zwei Jahre ins Gefängnis gesteckt, weil er gemeinsam mit einigen seiner Freunde die „Protestgruppe gegen das kommunistische China“ gegründet hatte. Nach seiner Freilassung gaben die Tibeter seines Dorfes ihm zu Ehren einen Empfang. Sie achten ihn hoch als einen Aktivisten, der für die Wahrheit und die gerechte Sache der Tibeter kämpft.

Tsering Dolma

Am 2. April 2021 verhafteten die chinesischen Behörden im Bezirk Serthar eine tibetische Aktivistin und ehemalige politische Gefangene, Tsering Dolma. Sie war bereits in den Jahren 2008 und 2012 in Haft gewesen, weil sie an den Protesten gegen China teilgenommen hatte.

Durch die exzessiven Schläge und Folterungen leidet sie nun unter mehreren Gebrechen, wie Herzproblemen, geschwächter Sehkraft, epileptischen Anfällen und posttraumatischen Symptomen. Sie wurde regelmäßig von den Sicherheitskräften überwacht, die verlangten, daß sie sich regelmäßig im Dorf registriere, wodurch ihre Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt war.

Tsering Dolma

Tsering Dolma stammt aus dem Dorf Taktse, Bezirk Serthar, Autonome Präfektur Kardze. Ihr Vater, Solo, wurde 2008 zusammen mit ihr verhaftet. Der Name ihrer Mutter ist Tsokyi.  Sie ist mit Karma Wangchuk verheiratet und hat zwei Kinder.

Die Namen der zwei anderen festgenommenen Tibeter, sowie das Datum ihrer Festnahme und ihr Haftort sind völlig unbekannt.

Die Verhaftung von mindestens sieben Tibetern in den letzten Monaten, die offenbar wegen staatsfeindlicher Aktivitäten angeklagt wurden, unterstreicht Pekings fortwährenden Versuch, den Einfluß von Männern und Frauen zu zerstören, deren Ansichten über das Leben in Tibet den offiziellen Darstellungen widersprechen.
„Wenn diese Intellektuellen keinen Einfluß mehr auf die tibetische Öffentlichkeit haben, kann diese leichter manipuliert und getäuscht werden“, kommentiert Pema Gyal vom Tibetan Centre for Human Rights and Democracy in Dharamsala.

Beginnend im Jahr 2008 - als weit verbreitete Proteste gegen die chinesische Herrschaft die tibetischen Regionen erschütterten - bis 2010 wurden fast 60 einflußreiche tibetische Dichter, Schriftsteller und andere Literaten und Akademiker von der chinesischen Polizei verhaftet, wobei der Verbleib vieler immer noch unbekannt ist.

„Und der Grund, der für die Verhaftungen gewöhnlich angegeben wurde, war, daß sie alle die nationale Sicherheit und Stabilität bedroht hätten“, so Pema Gyal.

Aber was diese Verhaftungen wirklich zeigen, ist, „daß die Tibeter ihrer akademischen Rede- und Ausdrucksfreiheit beraubt wurden, und daß die chinesischen Behörden sie jederzeit verhaften können, indem sie sie einfach als nationale Bedrohung bezeichnen.“

Go Sherab Gyatso, ein 46-jähriger Mönch des Klosters Kirti in der Autonomen Tibetischen Präfektur Ngaba (Aba) in Sichuan, wurde am 26. Oktober 2020 in Sichuans Hauptstadt Chengdu von Agenten der Staatssicherheit in Gewahrsam genommen. Er hatte ein Buch mit dem Titel „We Need to Wake Up“ verfaßt und mehrere Artikel veröffentlicht, in denen er die Einschränkungen der Meinungsfreiheit der Tibeter unter der chinesischen Herrschaft anprangerte.

In der Provinz Qinghai wurde Kunsang Gyaltsen - gebürtig aus dem Kreis Mangra (Guinan) in Qinghai und Forscher an der Tibet Universität in Lhasa - im Juni 2020 verhaftet, weil er Broschüren mit nicht autorisierten Ansichten über die politische Geschichte Tibets in Umlauf gebracht hatte. Die Nachricht von Gyaltsens Verhaftung erreichte Außenstehende erst mit Verzögerung, und sein derzeitiger Aufenthaltsort ist immer noch unbekannt.

Und im Kreis Rebgong (Tongren) in Qinghai wurde Gendun Lhundrub - ehemals Mönch im Kloster Rongwo - am 2. Dezember 2020 von der Polizei verhaftet, die seine Aktivitäten auf Anzeichen von politischem Dissens überwacht hatte. Im Oktober hatte Lhundrub einen Gedichtband veröffentlicht und in den sozialen Medien geschrieben, daß Schriftsteller und Künstler die Freiheit haben sollten, ihre Gedanken und Gefühle ohne Einschränkungen auszudrücken.