19. Juli 2021
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Chinesische Beamte schließen tibetische Schule in Golog - Aufschrei der Tibeter gegen die befohlene Schließung

Schulleiter, besorgte Eltern und ehemalige Schüler fordern höhere Behörden auf, ihre Entscheidung zu überdenken


Am 8. Juli, eine Woche nach der Hundertjahrfeier der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), ordneten die chinesischen Behörden im osttibetischen Golog die Schließung der Mittelschule Sengdruk Taktse im Bezirk Darlak an. Ohne einen offiziellen Grund für die Schließung der privaten tibetischen Schule zu nennen, wurde allen Schülern geraten, sich in anderen, also in staatlichen Schulen der Region einzuschreiben.

Khandrul Jigme Kunsang Gyaltsen hält eine Rede während der Abschlußfeier 2020

Vertraulichen Quellen aus der Region zufolge sind die Gründe für die Schließung der Schule politischer Natur. Die primäre Unterrichtssprache an der Schule ist nämlich Tibetisch, und sie bietet tibetischen Schülern in der Region Unterricht in tibetischer Kultur. Die Behörden redeten sich damit heraus, daß angehende Mönche in Klöstern und nicht in Schulen zu studieren hätten. Die Mehrheit der Schüler und Mitarbeiter der Schule sind nämlich Mönche und Praktizierende der tantrischen Lehre.

Folglich war der diesjährige Abschlußtag, der normalerweise als ein Fest gefeiert wird, der letzte Tag des Bestehens der Schule. In seiner Abschlußrede erinnerte Khandrul Jigme Kunsang Gyaltsen, Mitbegründer und Leiter der Schule und renommierter Khenpo der angesehenen Larung Gar Buddhist Academy, an die Einweihung der Schule am 5. Dezember 1998. Er bekräftigte die Prinzipien für die damalige Gründung der Schule, nämlich den Mittellosen, den Waisen und denjenigen, die keinen Zugang zu einer formalen Schulbildung haben, Bildung zukommen zu lassen. Er erläuterte weiter, daß die Schule in Übereinstimmung mit den Gesetzen und mit der Genehmigung der Präfekturregierung und der Bezirksverwaltung gegründet worden sei und daß sie sich stets an die Verfassung der Volksrepublik China gehalten habe. Er erwarte zudem, eine offizielle Erklärung von den übergeordneten Behörden für die Schließung der Schule zu erhalten.

Ein angesehenes Zentrum des Wissens

Die Sengdruk Taktse Mittelschule war anfänglich eine Grundschule, erhielt aber 2008 die Genehmigung für den Ausbau zu einer weiterführenden Schule. Besorgte ehemalige Schüler haben eine Petition veröffentlicht, in der sie die zuständigen Behörden bitten, die Schließung zu überdenken, da die Schule verwaiste und arme Kinder aus der Gemeinde aufgenommen hat. Vor der Schließung hatte die Schule rund 300 Schüler, und in den letzten 23 Jahren haben über 500 Schüler ihre Schulausbildung an der Einrichtung abgeschlossen.

In den Gründungsjahren waren die Möglichkeiten für eine formale Schulbildung in der Region von Golog äußerst begrenzt, und viele Kinder hatten keinen Zugang zur Schulbildung. Mit der Aufnahme von rund 30 Schülern im Jahr 1999 wurde der Grundstein für die Schule gelegt, die vor allem Waisenkinder und Kinder aus armen Familien aufnehmen sollte. Dank der aufrichtigen Bemühungen und des Engagements der Gründungsmitglieder blühte die Schule im Laufe der Zeit auf und erwarb sich unter den tibetischen Bauern und Nomaden der Gegend den Ruf als ein vortreffliches Zentrum des Lernens. Ehemalige Schüler arbeiteten in verschiedenen Funktionen im öffentlichen Leben, im Unternehmertum oder führen ein tugendhaftes Leben als Mönche und Nonnen.

Anfang Januar dieses Jahres gab der Direktor der Rechtskommission des ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses, Shen Chunyao, bekannt, daß Schulen in „Minderheitengebieten“ nicht in ihren eigenen Sprachen unterrichten dürfen, und bezeichnete einen solchen Unterricht als „verfassungswidrig“. Dieser Schritt steht in direktem Widerspruch zu den Bestimmungen des 1951 verabschiedeten Gesetzes über den zweisprachigen Unterricht.