12. Juni 2021
Tibetan Review, www. TibetanReview.net, The Tibet Sun, www.tibetsun.com

„Seine Heiligkeit Xi Jinping“ - Einblicke in das tibetische Leben ohne den Dalai Lama

Während China seine politische Bildungskampagne im Vorfeld zu den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Annexion Tibets am 23. Mai und zum 100. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas am 1. Juli intensivierte, werden seine Staatsführer, allen voran Parteigeneralsekretär Xi Jinping, offenbar in den Status spiritueller Ikonen erhoben.

Chinesische Funktionäre sagen, die Kampagne sei der Schlüssel für die Zukunft Tibets, und wie Reuters am 12. Juni berichtete, haben Zivilisten und religiöse Persönlichkeiten, deren Interview durch eine Gruppe von mehr als einem Dutzend Reportern auf einer fünftägigen Reise durch Tibet von der Regierung arrangiert wurde, der Kommunistischen Partei und Xi Loyalität geschworen.

Beamte kontrollieren, ob die Bilder der Staatsführer angebracht wurden


Besuche in Tibet durch nicht bei den offiziellen chinesischen Medien beschäftigte Reporter sind selten und nur im Rahmen von streng beaufsichtigten offiziellen Reisen möglich. Anfang Juni hat die chinesische Regierung Journalisten zu einer solchen Reise eingeladen.

Heutzutage gibt es wahrscheinlich mehr Porträts von chinesischen Führern, insbesondere von Xi Jinping, als Darstellungen von Gottheiten in Tibet. Reuters berichtet, daß die Journalisten diese Porträts in Klassenzimmern, auf den Straßen, in religiösen Einrichtungen, in Häusern und sogar im Schlafzimmer eines buddhistischen Mönchs gesehen haben, den die Gruppe in offizieller Begleitung besuchen durfte.

Auf die Frage, wer sein spiritueller Führer sei, nannte ein Mönch im historischen Jokhang-Tempel von Lhasa „Xi“ (Jinping). Nicht sicher, ob er es richtig gehört hatte, wiederholte der Reporter seine Frage.

„Ich bin nicht betrunken ... ich spreche frei mit Ihnen“, antwortete der Mönch mit dem Namen Lhakpa, der vom Hof des Tempels aus sprach, der von Sicherheitskameras und Aufpassern überwacht wurde.

Die allgegenwärtige Präsenz der Plakate chinesischer Führer „fällt mit einem massiven politischen Erziehungsprogramm zusammen, das den Namen ‚Dankbarkeit gegenüber der Partei' trägt“, kommentierte Robert Barnett, ein Gelehrter für tibetische Studien an der School of Oriental and African Studies der University of London.

Die Partei hat ein System entwickelt, um die Tibeter durch ihren Glauben zu kontrollieren, fuhr Robert Barnett fort. Besonders seit den Protesten von 2008 hat die Regierung versucht, „die Liebe zur Kommunistischen Partei von klein auf in die Köpfe der Tibeter einzupflanzen“, sagte er. Vom Campus bis zu den Häusern hängen nun Porträts von Xi an den Wänden von Häusern und Tempeln, so wie einst Bilder des Dalai Lama.

„Der tibetische Buddhismus sollte zur Anpassung an die sozialistische Gesellschaft hingeleitet und im chinesischen Kontext weiterentwickelt werden“, sagte Xi letztes Jahr beim 7. Arbeitsforum zu Tibet.

Der Bericht zitierte Regierungsbeamte, die sagten, zusammen mit kleinen chinesischen Flaggen, die viele Straßen der Stadt säumten, seien solche Bilder ein Zeichen für das „patriotische Gefühl“ der Tibeter.

Früheren Berichten zufolge wurden Tibeter, die in verschiedenen tibetischen Gebieten Sozialhilfe und Subventionen von der Regierung erhielten, aufgefordert, die Bilder von Gottheiten auf ihren religiösen Altären durch die von chinesischen Staatsführern zu ersetzen. Viele hatten sich geweigert, was Chinas Behauptung, die Armut in Tibet beseitigt zu haben, bezweifeln läßt.

Und was ist mit Tibets wahrem spirituellem Oberhaupt, dem Dalai Lama? Nun, laut Fan Chunwen, dem leitenden Funktionär des tibetischen Erziehungsministeriums, „hat der Dalai Lama, seit er sich nach Indien absetzte, nichts Gutes für das tibetische Volk getan“, was ähnliche Äußerungen anderer chinesischer Führer in der Vergangenheit widerspiegelt.