20. Januar 2009
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Dharamsala: chinesischer Spion verfolgt Schatten

Im Dezember 2008 wurde in Dharamsala, dem Exil-Sitz des Dalai Lama, der chinesische Staatsangehörige Lei Xun verhaftet, weil er Spionage betrieben und als Agent Provocateur tätig gewesen ist. Die TibetInfoNet vorliegenden Informationen belegen seine anhaltenden, wenn auch fruchtlosen und teilweise plumpen Bemühungen, Beweise zu ergattern oder sie notfalls auch selbst zu produzieren, um den Dalai Lama als Drahtzieher hinter den Unruhen in Tibet vom Frühjahr 2008 bloßstellen zu können. Es scheint, daß diese Undercover-Aktion auf der Basis von falschen vorgefaßten Meinungen über die tibetische Exilgemeinschaft und nicht von genauer Kenntnis der Umstände geplant wurde. Es zeigt auch die Nervosität der Sicherheitskräfte der TAR, die sich von dieser Operation einen Erfolg versprachen, nachdem sie das Herannahen von Unruhen in Tibet im Frühling 2008 nicht rechtzeitig erkannt hatten.

Lei Xun, gebürtig in der Provinz Sichuan, trat 1995 in die Spezial-Bodeneinsatz-Truppe der Volksbefreiungsarmee (chin. Lujjun Tezhong Budui) ein, wo er seine Ausbildung in der Überwachungsabteilung (chin. Zhencha Budui) absolvierte. 1997 wechselte er zur Verkehrseinheit der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) in Chengdu und blieb dort bis 2000. Im Rahmen seiner Tätigkeit wurde er in die Präfektur Kongpo/Nyingtri (chin. Gongbu/Lingzhi) in der TAR versetzt. 2006 wurde er aus disziplinären Gründen aus der PAP entlassen. Es ist anzunehmen, daß seine daraufhin zu Tage getretene Neigung zu Untergrundoperationen etwas mit dem in China üblichen Bewährungsschema zu tun hat, das sich „Wiedergutmachung durch gute Dienste“ (chin. Jiang gong bu guo) nennt.

Kurz nach den Unruhen in Lhasa vom 14. März 2008 wurde er von der Abteilung Innere Sicherheit (chin. Guonei Anquan Zongdui/Guobao Zongdui) des Public Security Bureau (PSB) der TAR damit beauftragt, vermeintliche Untergrundnetzwerke der Exiltibeter in Lhasa auszuspionieren und sich in sie einzuschleusen, um an Informationen über Planung und Durchführung von gewalttätigen Aktionen in Tibet zu gelangen. Diese Abteilung untersteht direkt dem Ministerium für Öffentliche Sicherheit (chin. Gong An Bu), während der TAR-Flügel des PSB für die Verfolgung des Geschehens in der Exilgemeinde zuständig ist. Folgende vier Kader erteilten Lei seine Aufträge:

*Peng Xi Long, stellvertretender Chef des PSB der TAR.

*Der tibetische Kader Pemba, der für die Beobachtung des tibetischen Exilgeschehens in der Region von Dram (chin. Zhangmu, nepalesisch: Khasa) zuständig ist. Dram ist das Tor von Nepal nach Tibet.

*Dondrup, ein weiterer Tibeter, zuständig für die Beobachtung tibetischer Exilangelegenheiten in Nepal.

*Wangyal, ebenfalls Tibeter und für Nepal und die Gebiete entlang der nepalesischen Grenze zuständig. Er ist somit der Vorgesetzte der beiden Vorgenannten.

Sowohl Wangyal als auch Dhondup sitzen in Lhasa. Lei Xun wurde in Lhasa mit üppigen Mitteln für seine Spionagemission ausgestattet. Seine Entlohnung entsprach in etwa der eines leitenden Angestellten eines Wirtschaftsunternehmens.

Nachdem er in Lhasa keine heimlichen Aktivitäten von Exiltibetern aufdecken konnte, wurde Lei Xun offenbar über Kathmandu nach Dharamsala geschickt. Sein erster Aufenthalt dort im Mai 2008 betrug 10 Tage und es gelang ihm dabei tatsächlich, eine Audienz beim Dalai Lama zu erhalten. Im August 2008, während der Olympischen Spiele, sowie im Oktober hielt er sich nochmals kurz dort auf. Sein letzter Besuch erfolgte am 11. Dezember 2008. Bereits drei Monate zuvor war ein dreiköpfiges Unterstützungsteam angereist, das angeblich seine Rückkehr nach China erleichtern sollte. Seine Vorgesetzten hatten ihm versichert, daß er in Nepal auf jeden Fall sicher sei, und falls er in Indien auf Probleme stieße, sollte er sich mit der chinesischen Botschaft in New Delhi in Verbindung setzen.

Bei seinem ersten Besuch machte Lei die Bekanntschaft eines Mitarbeiters des Sicherheitsdienstes der Zentraltibetischen Administration (Central Tibetan Administration = CTA), der wegen seiner guten Chinesisch-Kenntnisse regelmäßig chinesische Besucher in Dharamsala herumzuführen hat. Lei gab sich als ergebener Anhänger des Dalai Lama aus und äußerte den Wunsch, das Oberhaupt der Tibeter persönlich zu treffen. Als Teil seiner Legende behauptete er, er hätte sich eine große Summe Geld leihen und dazu sein Haus verpfänden müssen, um die Reise finanzieren zu können. Lei beschwatzte Mitarbeiter der CTA, einen Kontakt zu einem der Chinesisch-Dolmetscher und einem Abteilungsleiter im Büro des Dalai Lama herzustellen.

Als Lei von seinem ersten Besuch zurückkehrte, konnte er seinen Auftraggebern in Lhasa keinen der erhofften Beweise für eine wie auch immer geartete Gewaltbereitschaft der Tibeter vorlegen. Er brachte ein paar Dokumente mit, darunter auch die Botschaft des Dalai Lama vom 28. März 2008 an das chinesische Volk, verschiedene Erklärungen des Tibetischen Jugendkongresses (TYC), in denen den chinesischen Behörden vorgeworfen wurde, die Gewalt in Tibet bewußt zu schüren, sowie einige Pamphlete über den „Marsch nach Tibet“, zu dem im Frühjahr 2008 mehrere Unabhängigkeitsgruppierungen aufgerufen hatten. Alle diese Texte sind öffentlich zugänglich und standen schon wochenlang im Internet.

Um den Verdacht, den seine Vorgesetzten in Lhasa hegten, zu untermauern und sich dem Druck zu entziehen, Agenten der „Dalai Clique“ in Tibet ausfindig machen zu müssen, lieferte er Informationen über einen tibetischen Mönch aus Lithang, der sich im Mai 2008 in Dharamsala aufgehalten hatte, um an den Belehrungen des Dalai Lama teilzunehmen. Er beschuldigte ihn der verdeckten Arbeit für die Sicherheitsabteilung der CTA und vereitelte so die Rückkehr des Mönchs nach Tibet.

Um den Dalai Lama in die Finanzierung von Aktivitäten in Tibet zu verwickeln, ging er ihn um eine beachtliche Spende an, die angeblich dem Bau einer Schule und der Gründung einer Wohlfahrts-Einrichtung für tibetische Kinder in Tibet dienen sollte. Er soll sogar damit gedroht haben, sich umzubringen, falls er das Geld nicht erhalte.

Nach seiner Rückkehr nach China versuchte er immer verzweifelter, Beweise für eine vermeintliche tibetische terroristische Verschwörung aufzutreiben, und wollte mehrmals Mitarbeiter der Entourage des Dalai Lama in ein umstürzlerisches und gewalttätiges Komplott verstricken. Er rief den Chinesisch-Übersetzer an, den er in Dharamsala kennengelernt hatte und erzählte ihm von Plänen, in China eine Terrororganisation zu bilden, die einen Anschlag auf Hu Jintao verüben würde. Obwohl Lei eine Abfuhr erhielt und man ihm zu verstehen gab, das Bekenntnis des Dalai Lama zur Gewaltlosigkeit verbiete die Beteiligung an derartigen Aktivitäten, gab er nicht auf. Er rief noch einmal an und sprach über einen Plan für einen Sprengstoffanschlag auf die Qinghai-Tibet-Eisenbahn.

Bei seinem zweiten Besuch in Dharamsala hatte er den Auftrag, herauszufinden, ob irgendwelche Exiltibeter möglicherweise gewalttätige Aktionen in Tibet lancierten oder planten. Um zu verschleiern, daß es ihm nicht gelungen war, subversive Aktivitäten von Tibetern aufzuspüren, spielte er die Vorfälle eines bewaffneten Angriffs uighurischer Gruppen auf eine chinesische Polizeistation in der Autonomen Region Xinjiang sowie Sprengstoffanschläge in Yunnan und Shanghai im selben Zeitraum hoch, bei denen die Sicherheitsorgane eine Verstrickung von Tibetern vermuteten. Er informierte seine Auftraggeber, Tibeter wollten die Olympischen Spiele sabotieren und planten eine Gewalttat. Zur Untermauerung seiner Behauptungen legte er Videos der am „Marsch nach Tibet“ beteiligten Tibeter vor, deren erklärte Absicht es war, die Grenze nach Tibet zu überschreiten.

Nach Lei Xuns drittem und sehr kurzem Besuch in Dharamsala verloren die Behörden langsam die Geduld mit ihm, da er ihnen keine überzeugenden Beweise für tibetische Sabotageabsichten beibringen konnte, und verstärkten den Druck auf ihn, endlich Beweise zu liefern. Am 11. Dezember landete Lei auf dem Flugplatz Gaggal in der Nähe von Dharamsala und vertraute dem Übersetzer, in dem er wohl seinen wichtigsten Kontaktmann sah, an, die chinesische Regierung hätte ihn mit einem Spezialauftrag betraut, wozu er „wichtige Informationen“ benötige. Kurz darauf wurde Lei Xun entlarvt und in Polizeigewahrsam genommen. Am 22. Dezember 2008 erschien er vor Gericht und wurde in Untersuchungshaft genommen.