11. Januar 2001

TIBET INFORMATION NETWORK

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Ausbildung von chinesischen und tibetischen Kadern zur Verbesserung der Kontrolle der Landbevölkerung

Mindestens 70 chinesische Kader lernen nun an der Tibet-Universität in Lhasa Tibetisch als Teil eines Planes, sie auf künftige Führungsrollen in Tibet auf Kreis- und Dorfebene vorzubereiten. Dies ist eine der Maßnahmen der Chinesen zur Verbesserung ihrer Kontrolle über die ländlichen Gegenden in Tibet, wobei weiterhin großer Wert auf ein intensive ideologische Ausbildung für tibetische Kader gelegt wird.

Der Bedarf an ausgebildeten und qualifizierten Arbeitskräften ist ein immer wiederkehrendes Thema bei der derzeitigen Kampagne zur Entwicklung der westlichen Regionen Chinas, zu denen auch die Autonome Region Tibet (TAR) und die tibetischen Gebiete in Qinghai, Sichuan, Gansu und Yunnan gehören. Bei Tibetern in Lhasa gibt es jedoch Bedenken, weil die lokalen und regionalen Behörden mehr Wert auf ideologische Korrektheit als auf technischen Sachverstand legen, und weil die von tibetischen Kadern bei ihrem Training in China erworbenen Kenntnisse wenig praktische Verwendbarkeit auf die derzeitige sozio-ökonomische Realität in Tibet besitzen. Tibeter sind auch besorgt darüber, daß an der Verwaltungsbasis immer mehr tibetische Kader durch chinesische ersetzt werden.

Die 70 chinesischen Kader, die derzeit an der Tibet-Universität in tibetischer Sprache und Minderheitenpolitik ausgebildet werden, sind nach Beendigung ihres Dreijahreskurses für verschiedene administrative Posten in landwirtschaftlichen und Nomadengegenden der TAR vorgesehen. Vertreter der Tibet-Universität hießen die neuen Studenten mit formellen Reden willkommen, wobei sie unterstrichen, dies sei das erste Mal, daß seit ihrem Bestehen in der Abteilung für tibetische Sprache so viele Chinesen eingeschrieben seien. Sie fügten hinzu, die Politik der Zulassung von Chinesen zu der Abteilung für tibetische Sprache würde weiter fortgesetzt und intensiviert, und bei der jetzigen Kampagne zur Entwicklung der westlichen Regionen Chinas könnten chinesische Absolventen dieser Abteilung einen wichtigen Beitrag leisten. Die Universität soll den Studenten erklärt haben, diese chinesischen Kursabgänger "spielten bei der Konsolidierung und Wahrung der sozialen Stabilität und des Friedens in Tibet eine besondere Rolle".

Ein nun im Exil befindlicher Tibeter, der früher in Lhasa wohnte, meinte TIN gegenüber: "Die Städte in der TAR wie Lhasa und Shigatse ähneln ganz und gar chinesischen Städten. Und die Chinesen wollen nun auch die ländlichen Gegenden Tibets in eben solcher Weise transformieren und kontrollieren, wobei das wichtigste Instrument, um das zu erreichen, die tibetische Sprache ist".

Die Ausbildung tibetischer Kader in China war bisher mehr auf politischen und ideologischen Unterricht als auf praktische Kenntnisse ausgerichtet, wie sie für die Entwicklung der Wirtschaft auf lokaler Ebene und an der Basis angemessener wären. Eine weitere, nun im Exil befindliche tibetische Quelle sagte: "Tibeter, die bisher zur Spezialausbildung in verschiedene Teile Chinas entsandt wurden, wurden eher einer politischen Indoktrinierung unterzogen, als daß sie sich auf die Realität der örtlichen Gegebenheiten in ihren tibetischen Einsatzgebieten hätten konzentrieren können. Diese Tibeter erfahren etwas über die wissenschaftlichen und technischen Mittel zur Anhebung der Industrie und Wirtschaftsproduktivität, aber alles geschieht im Sinne der chinesischen Entwicklungspolitik und im Hinblick auf die Popularisierung der "wissenschaftlichen" Methoden zur Steigerung der Produktivität. Dabei werden die traditionellen Produktionsmethoden, die von alters her von der bäuerlichen und Nomadenbevölkerung Tibets angewandt wurden, abgeschafft. Diese Politik ist oft unvereinbar mit den derzeitigen wirtschaftlichen Gegebenheiten in Tibet oder dem kulturellen Leben des Volkes. Wenn diese tibetischen Kader nach Beendigung ihres Trainings nach Tibet zurückkehren, merken sie, daß sie das in mehreren Jahren Ausbildung in China Gelernte überhaupt nicht anwenden können. Die regionale und lokale Verwaltung gibt darüber hinaus denjenigen Kadern, welche eine gute ideologische Grundlage in Kommunismus besitzen, den Vorzug vor jenen, die spezielle Erfahrungen und Fachkenntnisse erworben haben."

Tibetische Führungskräfte und Kader, die als politisch vertrauenswürdig erachtet werden, dürfen auf ihren Posten bleiben und werden an der Seite von chinesischen Kandidaten weiter fortgebildet. Diejenigen aber, die politischer Disloyalität verdächtigt werden, verlieren ihren Job oder werden auf Stellen versetzt, die zwar gleichrangig sind, aber weniger Einflußnahme und Macht besitzen. Die Behörden benützen oftmals den Vorwand des "mangelhaften Verständnisses von Verwaltung und Management" oder des "minderwertigen Bildungsniveaus und der Ineffizienz", wenn ein Kader wegen Bedenken der "politischen Unzuverlässigkeit" von seinem Posten entfernt wird.

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