22. Februar 2001

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Neuer Bericht über politische Gefangenschaft in Tibet

Die Anzahl der uns bekannten politischen Gefangenen in Tibet hat sich in den letzten zwei Jahren halbiert. Dies ist z.T. auf die große Menge Gefangener zurückzuführen, die bekanntermaßen oder vermutlich in den letzten beiden Jahren entlassen wurden. Andere Faktoren sind die Härte der Bestrafung in den Gefängnissen, die kompromißlosen politischen Kampagnen und die scharfe Sicherheitspolitik in tibetischen Regionen. Ein neuer Bericht Suppressing Dissent, der auf den Erkenntnissen von TINs Datenbank über politische Gefangene beruht, meint, diese neuesten Zahlen reflektierten eine unter Tibetern zunehmende Aversion gegen die Risiken, welche offener politischer Protest mit sich bringt.

Suppressing Dissent: Hostile Elements II - Political Imprisonment in Tibet 1987 - 2000 (Unterdrückung von Dissens: Feindliche Elemente II - politische Gefangenschaft in Tibet 1987 - 2000), das am 23. Februar 2001 von TIN veröffentlicht wird, berichtet, die Anzahl derzeit in Haft befindlicher tibetischer politischer Gefangener sei von 538 im Januar 1999 auf 266 im Januar 2001 gefallen. Mönche und Nonnen machen 74% davon aus, und etwa ein Fünftel sind Frauen. Seit 1997 nahm die Zahl neuer Festnahmen in Zentraltibet stetig ab, wohl im Zusammenhang mit der Durchführung und Intensivierung der Kampagne zur patriotischen Erziehung, die von Mönchen, Nonnen und Laien die Schmähung des Dalai Lama verlangt. Die Mönche/Nonnen, die als Folge ihres Widerstandes gegen diese patriotische Erziehung eingesperrt wurden, machen jedoch nur einen geringen Bruchteil derjenigen aus, welche aus ihren Klöstern verstoßen wurden oder aus Tibet geflohen sind.

Die derzeit inhaftierten Mönche/Nonnen kommen aus über 65 Klöstern, während die inhaftierten Laien aus Schulen, dem Geschäftsleben, staatlichen Stellen und sogar der chinesischen kommunistischen Partei (CCP) kommen, wie aus der TIN Datenbank "Politische Gefangene" hervorgeht. Die darin erfaßten Gefangenen und Ex-Gefangenen befanden sich in mindestens 100 Gefängnissen, Haftzentren und andern Einkerkerungsplätzen, die über alle tibetischen Gebiete verstreut sind.

Während die große Welle von Protesten und Verhaftungen in der Autonomen Region Tibet (TAR) seit 1996 abflaute, ist die Häufigkeit von Verhaftung in tibetischen Gebieten außerhalb der TAR im Steigen begriffen, allerdings von einer niedrigeren Ausgangsbasis aus. Verhaftungen in Gebieten außerhalb der TAR machten in 1996-2000 ein Drittel der uns bekannten politischen Festnahmen von Tibetern aus, während sie in der Zeit 1987-1991 nur 6% betrugen. In tibetischen Regionen außerhalb der TAR handelt es sich bei einem großen Prozentsatz der Festgenommenen um Studenten und Erzieher, wobei die Proteste auch geographisch weiter gestreut zu sein scheinen als innerhalb der TAR.

37 tibetische politische Gefangene starben - einer vorsichtigen Analyse der TIN Daten zufolge - seit 1987 als direkte Folge von Mißhandlungen in Gefängnissen (was eine Quote von 1 zu 50 bedeutet), wobei 20 davon aus Tibets berüchtigtem Gefängnis No. 1, Drapchi in Lhasa, stammen. Einer der hauptsächlichen Faktoren, welche Tibeter davon abschrecken, das Risiko einer Verhaftung auf sich zu nehmen, mag der furchterregende Ruf Drapchis als ein Ort der gräßlichen Mißhandlung von Gefangenen sein. Die Einführung der militärähnlichen Zwangdrills ist die negativste Entwicklung in der Gefängnisroutine in Drapchi in den letzten Jahren, und ehemalige politische Gefangene berichten von ihrer schlimmen Auswirkung auf die Gesundheit der meisten politischen Gefangenen.

Urteilsverlängerungen werden immer häufiger eingesetzt, um tibetische politische Gefangene zu bestrafen, welche offen ihre politische Meinung äußern oder irgend etwas im Gefängnis tun, das als politisch unkorrekt erachtet wird. Keine Strafe wird von den tibetischen Gefangenen mehr gefürchtet als die Haftverlängerung. Sie wissen genau, daß in Haftanstalten, in denen viele Gefangene durch Mißhandlung starben oder schwere Verletzungen und Siechtum davontrugen, ein verlängertes Urteil oft gleichbedeutend mit einer Lebensverkürzung ist. Die durchschnittliche Haftzeit, die derzeit abgebüßt wird, ist auf 8 Jahre und 8 Monate gestiegen, wobei sich der Bestand an Gefangenen allmählich auf diejenigen mit längeren Haftstrafen konzentriert. Bei denjenigen Gefangenen, deren Urteil verlängert wurde, beträgt die durchschnittliche Haftzeit nun 12 Jahre und 6 Monate. Etwa 27% der politischen Häftlinge in Drapchi wurden unseres Wissens nach mit Haftverlängerung bestraft.

Suppressing Dissent berichtet, daß mit Holz- oder Metallstangen, Stöcken, Drahtseilen oder mit Sand gefüllten Plastik- und Gummirohren verabreichte Schläge, Elektroschocks und anderen Formen der Mißhandlung bei der Polizeiermittlung und nach Verurteilung der Festgenommenen zu Gefängnis, zur Routine gehören. Gefangene können auch in fest anliegende Handschellen gezwängt werden oder für lange Zeitspannen, manchmal in schmerzhaft verrenkten Stellungen, gefesselt werden, mit Nadeln gestochen oder mit Zigarettenenden gebrannt werden. Zwischen den Vernehmungssitzungen wird die Qual ihrer Isolierung oft gesteigert durch Entzug von Schlaf, Nahrung oder Wasser, und dadurch, daß die Gefangenen längere Zeiten in Dunkelheit, Kälte und Dreck darben müssen.

Obwohl Suppressing Dissent den detailliertesten Bericht über das Thema politische Inhaftierung in Tibet darstellt, den es derzeit gibt, kann kein Bericht zu diesem Thema umfassend sein, weil China stets zu verhindern sucht, daß Menschenrechtsinformationen die Außenwelt erreichen. Information über politische Gefangenschaft in Tibet wird üblicherweise als "Staatsgeheimnis" behandelt, weshalb jeder Versuch diese Information ohne offizielle Genehmigung weiterzugeben, als "Spionage" geahndet wird.

1. Suppressing Dissent: Hostile Elements II, von Steven D Marshall stellt eine Ergänzung zu Hostile Elements: A study of Political Imprisonment in Tibet 1987-1998 (TIN 1999) dar. Steven D Marshall ist auch der Verfasser von Rukhag 3: The Nuns of Drapchi prison (TIN 2000) und mit Dr Susette Cooke Co-Autor der CD-ROM Tibet Outside the TAR.

2. Suppressing Dissent: Hostile Elements II kann von TIN um £13.95($20) zuzüglich Porto und Verpackung bezogen werden.

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