29. November 2002

Tibet Information Network
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Tod einer umstrittenen Persönlichkeit: Nachruf auf Bomi Rinpoche (1918-2002)

Wie von Xinhua am 22. November berichtet, ist Bomi Jampa Lodroe (chin. Bomi Qiangba Luohzu), ein ranghoher tibetischer Lama, am Mittwoch, den 20. November, verstorben. Bomi Rinpoche genoß hohes Ansehen ob seiner außerordentlichen Gelehrsamkeit, seines großen Engagements für die Heranbildung einer neuen Generation junger Mönche in Tibet und seiner großen Demut. 1995 wurde er mit der Durchführung einer von der chinesischen Regierung angeordneten Zeremonie zur Bestimmung der Wiedergeburt des 10. Panchen Lama beauftragt. Peking hatte zuvor den vom Dalai Lama bestätigten Gedun Choekyi Nyima, dessen Verbleib und Lebensumstände seitdem geheim gehalten werden, abgelehnt. Bomi Rinpoche wurde in der Folge immer wieder wegen seiner vermeintlichen "Kollaboration" mit der chinesischen Regierung kritisiert (s. die TIN-Berichte von April-Dez. 1995). Am 27. November fand im Jokhang, dem Zentraltempel von Lhasa, eine "Abschiedszeremonie" statt, der Vertreter der chinesischen Regierung und führende Funktionäre der TAR beiwohnten.

Bomi Jampa Lodroe wurde 1918 im Distrikt Dzayul (chin. Chayu), Präfektur Nyingtri (chin. Linzhi), einem Teil Osttibets, der heute zur Autonomen Region Tibets gehört, geboren. Wie er im November 1999 dem offiziellen chinesischen Buddhismus-Journal "Fayin" (Stimme des Dharma) gegenüber äußerte, verlor er in jungen Jahren seine Eltern und kam dann in die Obhut der Familie seines Onkels. Mit acht Jahren trat er in ein kleines Kloster in der Nähe seines Heimatortes ein, nachdem er als die erste Wiedergeburt eines mit diesem Kloster verbundenen Lamas erkannt worden war. Mit 16 zog er in das Kloster Ganden bei Lhasa, das Stammkloster der Gelugpa-Richtung des tibetischen Buddhismus. Im Alter von 42 Jahren erwarb er 1958 den Geshe Lharampa Titel, den höchsten Gelehrten-Grad in der Gelugpa Schule.

In seinem Interview mit "Fayin" sprach Bomi Rinpoche auch darüber, warum er in Tibet geblieben war, nachdem die PLA 1959 den Aufstand in Lhasa niedergeschlagen hatte: "Nicht daß mein politisches Verständnis besonders groß gewesen wäre, der eigentliche Beweggrund war, daß ich Indien kannte und wußte, daß es nicht viel bot - vor allem das Klima dort ist ganz anders und für uns Tibeter ist es kaum möglich, sich anzupassen." Zurückblickend sagte er: "Ich denke, der Schritt, den ich damals tat, war der richtige, und ich bin froh, daß ich diese Entscheidung getroffen habe".

Was über seine Erfahrungen während der Kulturrevolution (1966-1976) in Tibet bekannt ist, erklärt vielleicht eine solche Einstellung. Wie TIN in Erfahrung bringen konnte, wurde Bomi Rinpoche, als er in den ersten Jahren der Kulturrevolution im Ganden Kloster lebte, gezwungen, die sterblichen Überreste des Gründers der Gelugpa Schule Tsongkhapa (1357-1419) auf seine Schultern zu laden und ins Feuer zu werfen, nachdem eine Gruppe von Rotgardisten Tsongkhapas Grabmal zerstört hatte. Insgeheim konnte er jedoch Tsongkhapas Schädel retten und eine kleine Urne voller Asche sammeln, die er zur sicheren Aufbewahrung in der Erde vergrub. Der 10. Panchen Lama soll Bomi Rinpoche für diese mutige Tat gepriesen haben.

Bomi Rinpoche sollte im Laufe seines Lebens verschiedene offizielle Positionen begleiten. So wurde er 1985 zum Rektor der neu gegründeten Buddhistischen Akademie in Lhasa ernannt und 1992 zum Vorsitzenden des tibetischen Zweigs der "China Buddhist Association" (CBA), ein Amt, das er, ebenso wie seine Stellung als Vize-Vorsitzender der gesamtchinesischen CBA bis zu seinem Tod innehatte. 1992 wurde er sogar in die Politische Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (CPPCC) berufen. Weniger bekannt ist, daß Bomi Rinpoche in den Achtzigern fast unbemerkt im Kloster Nechung bei Lhasa inoffiziell den Lehrbetrieb in Philosophie aufnahm, was er aus eigenen Mitteln finanzierte. Es wurde ebenso bekannt, daß er seine offiziellen Kontakte nutzte, um den Wiederaufbau des Klosters Ganden zu fördern.

1988 wurde er - möglicherweise vom 10. Panchen Lama - gebeten, den Posten des Ganden Chikyab, des Verwalters von Ganden zu übernehmen, ein Posten, der traditionsgemäß dem Ganden Tripa, dem Oberhaupt der Gelugpa Schule und Abt von Ganden, sehr nahe steht. Später wurde er von den Mönchen zum " stellvertretenden Ganden Tripa" erkoren. Diese Wahl wurde von den chinesischen Behörden jedoch nicht gebilligt, weil sie die Anerkennung des sich seit 1959 im indischen Exil befindenden Ganden Tripa impliziert hätte.

Als die Chinesen schließlich in Verlegenheit gerieten, einen geeigneten Lama von hohem Rang für die Durchführung der Zeremonie zur offiziellen Bestätigung ihrer Wahl des 11. Panchen Lama zu finden, machten sie einen Tag vor der umstrittenen Anerkennungszeremonie, die am 29. November 1995 stattfand, Bomi Rinpoche zum amtierenden Ganden Tripa.

Es scheint, daß Bomi Rinpoche von den Chinesen zur Besorgung des Wahlritus ausersehen wurde, weil er sowohl dem Alter als auch der Gelehrsamkeit nach der höchste in Tibet verbliebene Gelugpa-Geistliche war. Am Tag nach der Zeremonie gab der Dalai Lama eine Erklärung heraus, in der er sagte, Bomi Rinpoche sei zur Teilnahme "gezwungen" worden. Aus dem Kreis der dem Rinpoche Nahestehenden verlautete, daß er die Teilnahme an der Zeremonie als seine Pflicht ansah, um das Fortbestehen des Buddhismus in Tibet zu gewährleisten. Es heißt, er habe auch gehofft, die chinesische Regierung würde seine Geste guten Willens belohnen, indem sie ihn zum Mentor des Knaben ernenne, so daß er dessen Studien so lenken könne, wie er es für richtig hielt. Doch es kam anders, denn seine nachlassende Gesundheit und die lange Abwesenheit des von der Regierung bestimmten Panchen Lama von Tibet brachten es mit sich, daß Bomi Rinpoche kaum Kontakt zu dem Kind hatte.

Trotz Bomi Rinpoches scheinbarer Zusammenarbeit mit den chinesischen Behörden während und nach der umstrittenen Wahl des 11. Panchen Lama geben viele Tibeter in und außerhalb Tibets zu, daß er eigentlich keine Alternative in dieser Angelegenheit gehabt hatte und den gegebenen Umständen gemäß sein Bestes tat. Auch weiß TIN von keinem einzigen Vorfall, wo Bomi Rinpoche den Dalai Lama als "Separatist" oder Anführer einer "Clique" beschimpft hätte - eine politische Pflicht, die im Rahmen der "patriotischen Erziehung" üblicherweise von hochrangigen religiösen Würdenträgern (oder Praktizierenden des Buddhismus) in Tibet gefordert wird. Um einen ihm Nahestehenden zu zitieren: "Bomi Rinpoche war ein wirklich heiliger, hoch gelehrter und demütiger Mönch. Er war davon überzeugt, daß in Tibet bald nichts mehr vom Buddhismus übrigbleiben würde, wenn wir mit den Chinesen keinen Kompromiß eingingen. In seinem Herzen jedoch blieb er dem Dalai Lama immer treu".

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