19. November 2002
Tibet Information Network
City Cloisters, 188-196 Old Street, London EC1V9FR, ph: +44(0)207 814 9011,
fax +44(0)207 814 9015, e-mail: tin@tibetinfo.net, TIN USA: ph: +1(0)307 733 4670, fax: +1(0)307 739 2501, e-mail: tinusa@wyoming.com, www. tibetinfo.net

Das Vermächtnis Hu Jintaos in Tibet

Hu Jintao, der früher Parteisekretär in der Autonomen Region Tibet (TAR) war, wurde vom 16. nationalen Parteitag, der vom 8. bis 15. November 2002 in Peking stattfand, zum Generalsekretär der KPC ernannt. Er ersetzt damit Jiang Zemin als Parteichef und wird vom Nationalen Volkskongreß im März 2003 höchstwahrscheinlich auch dessen Position als Staatspräsident übertragen bekommen. Kadern in der TAR ist Hu hauptsächlich als ein inkompetenter Chef in Erinnerung, der die meiste Zeit abwesend war und den stellvertretenden Parteisekretär der TAR Ragdi förderte, was als ein Grund für dessen jetzige Machtstellung gilt.

Einem ehemaligen Funktionär der TAR zufolge machte Hu Jintao, während er vom Dezember 1988 bis zum März 1992 in Tibet seines Amtes waltete, einen ungemein dürftigen Eindruck auf die dortigen Kader: "Wir konnten in Hu Jintao keine besondere Fähigkeit als Politiker entdecken. Parteisekretäre sind üblicherweise die Leute, welche die wirkliche Macht in Händen halten. Seinem Vorgänger [Wu Jinghua] können zumindest gewisse Leistungen zugeschrieben werden. Es gibt jedoch keine Großtaten, die auf Hu Jintaos Konto gehen würden". Der Ex-Funktionär fügte hinzu, in Kaderkreisen in Tibet ginge das Gerücht um, Hu habe ein Leiden vorgetäuscht, um Tibet so lange wie möglich fernbleiben zu können. Viele gewöhnliche Menschen in Tibet kannten nicht einmal seinen Namen.

Hu Jintao hielt sich die meiste Zeit in Peking auf, wo er sich angeblich in ärztlicher Behandlung befand. Nach Oktober 1990 kehrte er überhaupt nicht mehr nach Tibet zurück, und blieb statt dessen in Peking, wo er die notwendigen Beziehungen anknüpfte, um sich seinen Aufstieg über die Stufen der Parteihierarchie zu sichern.

Man nimmt an, daß Hu Jintao im März 1989 der chinesischen Zentralregierung persönlich vorgeschlagen hatte, in der TAR das Kriegsrecht auszurufen, was von Peking als Beweis für sein unbedingtes Bekenntnis zur Parteilinie gewertet wird. Viele tibetische Kader sehen darin jedoch eher ein Zeichen für seinen Mangel an politischem Geschick.

Hu Jintaos Amtsführung war auch entscheidend für die Karriere Ragdis, des mächtigsten ethnischen Tibeters in der Führungsspitze der TAR, der vom 16. Parteitag als Mitglied des Zentralkomitees der Partei bestätigt wurde. Während seiner langen Abwesenheit von Tibet übertrug Hu seine Entscheidungsgewalt Ragdi, was diesem Gelegenheit gab, die starke Position aufzubauen, über die er seitdem verfügt.

Der aus der Präfektur Nagchu (chin. Naqu) nördlich von Lhasa gebürtige Ragdi war während der Kulturrevolution (1966-1976) Chef einer Fraktion der Roten Garden und wurde in der Folge ein prominentes Mitglied des lokalen Revolutionskomitees (Verwaltungseinheiten in der PRC während der Kulturrevolution). Es ist anzunehmen, daß er auf die von Deng Xiaoping 1978 eingeleiteten Reformen hin aus diesem Grund seines Amtes enthoben wurde.

Ragdi kam jedoch seine gute Beziehung zu Hu Yaobang, dem von Mao erkorenen Nachfolger (der jedoch später von Deng ersetzt wurde) zustatten. Ragdi und Hu Yaobang kannten sich seit der Zeit, als sie zusammen an der zentralen Parteischule in Peking waren, und Ende der siebziger Jahre gehörten sie derselben Parteigruppe an. Es heißt, Ragdi habe sich Hu Yaobang und anderen hohen Beamten an der Schule gegenüber dienstbereit und willfährig verhalten, so daß sie sich ihrerseits später für seinen Verbleib im Amt einsetzten.

Ein volkstümlicher Spruch in der TAR vergleicht Ragdi mit einem Stein, der fest in einem Flußbett verankert ist, während andere Parteisekretäre von der Strömung davongetragen werden. Viele tibetische Kader, die seinen Einfluß kannten und seine Gönnerschaft wohl zu schätzen wußten, scharten sich um Ragdi, der sie mit Posten in Partei und lokalen Administrationen versorgte, womit er sich seinerseits eine loyale Gefolgschaft und solide Machtbasis schuf.

nach oben