16. August 2002
Tibet Information Network

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Neuer Straftrakt im Drapchi Gefängnis

Ein neuer Zellentrakt wurde im Drapchi-Gefängnis in Lhasa, dem sogenannten Gefängnis No. 1 der Autonomen Region Tibet, für Häftlinge unter verschärften Vollzugsbedingungen und für neue männliche Häftlinge eingerichtet. Tagna Jigme Zangpo, der betagte Lehrer, der insgesamt 32 Jahre in Gefangenschaft verbrachte, ehe er im März aus medizinischen Gründen entlassen wurde (www.tibetinfo.net/news-updates/2002/0304.htm, Übers.: www.igfm-muenchen.de/tibet/tin/JigmeSangpo%20entlassen.html), verbrachte die meiste Zeit seiner letzten acht Gefängnis-Monate in diesem Trakt, und zwar als Strafe dafür, daß er im August 2001 in Drapchi seinem Protest Ausdruck verliehen hatte.

Die Bedingungen in diesem "tsonkhul" (Vollzugsbereich) Neun sind die härtesten in der ganzen Haftanstalt. Zu den Insassen gehören auch zwei tibetische Strafgefangene, Tringa und Sonam Tsewang, die während und nach dem Besuch einer UN Delegation in Drapchi im Oktober 1997 protestiert hatten. Tagna Jigme Zangpo, der im Juli zum Zwecke ärztlicher Behandlung die Erlaubnis erhielt, aus Tibet auszureisen (www.tibetinfo.net/news-updates/2002/1407.htm) und der am 15. August in der Schweiz eintraf, berichtete TIN, bestimmte Häftlinge würden zu besonders schwerer Bestrafung in eben diesen Trakt verlegt, etwa wenn sie bei politischen "Prüfungs-Sitzungen" keine zufriedenstellenden Antworten gegeben hätten. "Sie werden dort sechs Monate bis zu einem Jahr lang untergebracht, um ihren Geist zu zermürben", sagte er.

Tagna Jigme Zangpo, der erstmals 1965 inhaftiert wurde, kam in den "Haftbereich Neun", nachdem er im August 2001 aus seiner Zelle im Haftbereich Acht (ein Bild mit der Lage der Zellen befindet sich unter www.tibetinfo.net/reports/trpris/drapchi.htm) ganz alleine laut Protestparolen gerufen hatte. Tagna Jigme Zangpo wurde, nachdem er bereits 13 Jahre in Arbeitslagern hinter sich gebracht hatte, im September 1983 zum dritten Mal eingesperrt und zwei Jahre darauf nach Drapchi transferiert. Seine Haftstrafe wurde 1987 und 1991 infolge seiner Ein-Mann-Proteste jeweils verlängert. Im August 2001 fing er an, durch die Gitterstäbe seiner Zelle "Warum bestraft ihr mich? Ich habe nichts verbrochen?" "Möge Seine Heiligkeit der Dalai Lama 10.000 Jahre lang leben!", "Tibet ist unabhängig!", "Möge Tibet für 10.000 Jahre unabhängig sein!" zu rufen. Nach diesem lautstarken Protest wurde er in eine der Zwei-Mann-Zellen verlegt, wie sie für den Haftbereich Neun typisch sind. Die ganze Zeit über war ihm in seiner Zelle ein tibetischer Strafgefangener zugeordnet, der ihn überwachen mußte.

Der Haftbereich Neun, der vermutlich im Spätsommer 2000 fertiggestellt wurde, umfaßt 24 Zellen. Eine davon dient als Lagerraum, zwei sind für Isolationshaft eingerichtet und bei 21 handelt es sich um Zellen für zwei Häftlinge. Diese Zwei-Mann-Zellen messen rund drei mal drei Meter. Annähernd 30 Häftlinge können zu jeder beliebigen Zeit in dem Haftbereich Neun untergebracht werden. Während es sich bei einigen der Insassen um Neuankömmlinge handelt, ist die Mehrheit einschließlich der kriminellen Gefangenen in dem Haftbereich Neun den verschärften Haftbedingungen unterworfen. Gefangene in dem tsonkhul Neun dürfen keinerlei Arbeit verrichten. Ein winziger, ummauerter Platz schließt sich jeder Zelle in diesem Block an. Die Häftlinge mit den verschärften Bedingungen dürfen ihn nicht betreten, noch dürfen sie außerhalb ihrer Zellen irgendeiner Tätigkeit nachgehen oder sich körperlich bewegen. Andere Häftlinge wiederum haben Zugang zu dem Hof des Haftbereichs Neun, wo sie umherlaufen oder joggen können. Die Zellen sind schlecht belüftet; als Zugeständnis an sein Alter und seine Gebrechlichkeit wurde für Tagna Jigme Zangpo ein Loch in die Wand seiner Zelle gebohrt, um ihm das Atmen zu erleichtern. In einigen Zellen ist die innere Tür unverschlossen, aber nicht in allen, so daß manche Häftlinge nicht einmal den Lichtschalter erreichen können, um in ihren Zellen bei Nacht das Licht zu löschen.

Gefangene im Trakt Neun

Tringa und Sonam Tsewang, die zwei Tibeter, die bei dem Besuch des "UN Arbeitskreises für Willkürliche Verhaftung" in Drapchi am 11. Oktober 1997 protestierten, kamen im November 2000 in den Haftbereich Neun, und als Tagna Jigme Zangpo am 31. März 2002 aus gesundheitlichen Gründen freigelassen und in der Obhut seiner Verwandten in Lhasa unter Hausarrest gestellt wurde, waren sie immer noch dort. Tringa, Sonam Tsewang und ein dritter tibetischer Strafgefangener, Wangdu, wurden im Zusammenhang mit ihrem Aufbegehren während des Besuchs mit mindestens 3 Jahren Haftverlängerung bestraft (www.tibetinfo.net/news-updates/nu071098.htm).

Tringa und Sonam Tsewang waren, wie Jigme Zangpo erzählt, beide in einer Zwei-Mann-Zelle eingeschlossen, aus der sie nicht herauskommen durften. Wangdu befindet sich vermutlich nicht mehr in tsongkhul Neun, weil er, wie es heißt, sich zu "seinem Verbrechen bekannt" haben soll. Lodroe Gyatso, 37-jähriges Mitglied einer Tanzgruppe, der wegen Mordes eine auf 15 Jahre lautende Strafe in Drapchi verbüßt und dessen Strafe 1995 wegen seiner Beteiligung an einem Häftlingsprotest um 6 Jahre verlängert wurde, soll im November 2000 ebenfalls in dem tsongkhul Neun gewesen sein. Karma Sonam, ein weiterer aus Kardze (chin. Ganzi) in der Provinz Sichuan stammender Strafgefangener, der im Mai 1998 unter denen war, die mit dem politischen Protest im Gefängnis anfingen, wurde auch kurz nach der Einrichtung des tsongkhul Neun dorthin verlegt. Karma Sonams Strafe wurde ebenfalls verlängert, denn er war einer der beiden, die am 1. Mai 1998 bei der von der Gefängnisleitung veranstalteten Flaggenzeremonie zuerst "Free Tibet" und "Lange lebe der Dalai Lama" gerufen hatten (www.tibetinfo.net/news-updates/nu151299.htm und www.tibetinfo.net/news-updates/2002/1406.htm).

Die Mönche Ngawang Nyima und Ngawang Sungrab wurden im Frühjahr 2001 ebenfalls nach tsongkhul Neun transferiert, weil sie bei den im Gefängnis periodisch durchgeführten Überprüfungen, ob die politischen Häftlinge sich gebessert und ihre Meinung entsprechend den Forderungen der Obrigkeit geändert hätten, keine zufriedenstellenden Antworten gegeben hatten. Ngawang Sungrab, ein Drepung-Mönch in den Dreißigern, der aus dem Kreis Lhundrup im Bezirk Lhasa stammt und der eine Haftstrafe von 10 Jahren verbüßt, wurde von dem im Gefängnis stationierten Sicherheitspersonal durch einen Bauchschuß verletzt, als er nach der Demonstration zusammen mit anderen Häftlingen zu den Gefängnistoren stürzte. Seine Strafe wurde auf die Proteste hin verlängert, und er soll sich nun in dem Haftbereich Neun befinden, weil er nicht genügend Fortschritte im politischen Umdenken gezeigt habe. Ngawang Nyima, ein Mönch aus Pema im Distrikt Pashoe der Präfektur Chamdo (chin. Changdu), TAR, war zu der Zeit, als Tagna Jigme Zangpo aus Drapchi freikam, vermutlich ebenfalls in dem tsongkhul Neun eingesperrt.

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