17. März 2006

TibetInfoNet
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Neues über das Verbrennen der Tierfelle

Aus ganz Tibet liegen Fotos und Informationen vor, die ein recht gutes Bild von dem Ausmaß und den Umständen der Kampagne zur Verbrennung von Tierfellen bieten, die seit einigen Wochen im Gange ist. Abgesehen davon, daß es sich hierbei um ein deutliches, wenn auch unausgesprochenes Zeugnis für den anhaltenden Einfluß des Dalai Lama handelt, der ja den Anstoß zu dieser Kampagne gegeben hat, als er seine Mißbilligung der Unsitte des Tragens von Fellen von Wildtieren zum Ausdruck brachte, entsteht der Eindruck, daß die Tibeter den Balanceakt zwischen der öffentlicher Bekundung ihrer Gefühle und der gleichzeitigen Vermeidung einer Provokation der chinesischen Behörden immer geschickter bewältigen. Besonders bemerkenswert ist hier das Bemühen, diese eigentlich religiös motivierte Bewegung als Umweltschutzmaßnahme zu deklarieren und durch die öffentliche Ausstellung der Pelze vor dem Verbrennen andere Leute zur Nachahmung bzw. der Teilnahme an der Aktion zu bewegen.

Der folgende Bericht ist eine erste bildliche Darstellung der Kampagne. Er konzentriert sich auf zwei Orte in der osttibetischen TAP Ngaba Qiang (chin: Aba) in Kham (Sichuan), wo die Bewegung besonders populär ist.

Thangkor

Die hier dokumentierte Aktion fand Ende Februar, wenige Tage vor dem tibetischen Neujahrsfest, im Dorf Thangkor, Distrikt Dzoege (chin: Ruorgai), statt. Bei den Beteiligten handelte es sich hauptsächlich um Nomaden und Halbnomaden. Einer unbestätigten Information zufolge betrug der Wert der in Thangkor verbrannten Felle um die vier Millionen Yuan (408.766 €). Obwohl einige der Teilnehmer nach der Aktion verhaftet wurden, kamen sie nach wenigen Tagen wieder frei.

Bilder stehen auf der Website von TibetInfonet unter
http://www.tibetinfonet.net/updates/2006/1703.htm

Bild 1: Die Leute haben die Pelzbesätze von ihrer Kleidung entfernt und sie vor den Augen der Menge zum Sammelplatz gebracht.

Bild 2: Leopardenfelle (die teuersten, welche die Dorfbewohner erstehen konnten) werden von ihren Eigentümern gezeigt.

Bild 3: Leopardenfell-Besätze.

Bild 4: Alle gesammelten Felle werden vor dem Verbrennen an einem Seil aufgehängt.

Bild 5: Die Felle hängen am Seil.

Bild 6: Die Felle werden angezündet.

Bild 7: Die Menschen versammeln sich um den Scheiterhaufen von Thangkor.

Bild 8: Der Scheiterhaufen von Thangkor. Ein Mönch filmt das Ereignis auf Video.

Bild 9: Die Mönche bleiben im Hintergrund des Scheiterhaufens stehen.

Berichten zufolge soll die Lage in Lhasa um das Neujahrsfest herum gespannt gewesen sein. Die Polizei setzte die Bewohner der Stadt und die zur Pilgersaison angereisten Tibeter darüber in Kenntnis, daß jeder, der sich an eventuellen Verbrennungsaktionen beteiligt, strafrechtlich verfolgt wird. Die Studenten wurden gewarnt, daß sie im Falle einer Teilnahme von ihren Lehrinstituten relegiert werden. Das deutet auf den Verdacht der Behörden hin, gerade junge Menschen würden sich in vorderster Front an der Bewegung beteiligen, etwas, was von unabhängigen Beobachtern bestätigt wurde und im Widerspruch zu der offiziellen wie auch anderweitigen Meinung über den angeblich schwindenden Einfluß des Dalai Lama auf die tibetische Jugend steht. Die Warnungen hatten ihre Wirkung, denn es kam diesmal zu keinen Fellverbrennungen in Lhasa. Allerdings waren in der tibetischen Hauptstadt auffallend wenige pelzverbrämte Kleidungsstücke zu sehen, nicht einmal am dritten Tag des Neujahrsfests, an dem volksreligiöse Rituale zu Ehren der Schutzgottheiten stattfinden, (Orakelzeremonien, Aufhängen neuer Gebetsfahnen, Verbrennen von Räucherwerk etc.) und zu denen die Tibeter traditionsgemäß ihre schönsten und häufig mit Fellen von Leoparden und anderen Wildtieren besetzten Chubas tragen. Aus inoffizieller Quelle verlautet, ein Tibeter, dessen Bekleidung mit Leopardenfell verbrämt war, sei an diesem Tag von Unbekannten verprügelt worden.

Kirti

Die Fellverbrennung in der Umgebung des Klosters Kirti erregte besondere Aufmerksamkeit, denn es gibt eine Videoaufnahme davon, die im Februar 2006 außer Landes gelangte und von www.phayul.com und von anderen Medien gezeigt wurde. Fotos und Zusatzinformationen, die TibetInfoNet von einem westlichen Touristen erhielt, der die große Verbrennungsaktion vom 11. Februar miterlebte, vermitteln einen guten Einblick in dieses Ereignis.

Bild 10: Improvisiertes Plakat in tibetischer und englischer Sprache, auf dem die Menschen zum Schutz der Umwelt aufgefordert werden. Die Fotos auf dem Plakat stammen alle aus der VR China (wie der Schrift zu entnehmen ist, die für in der VR China produzierte Bücher und Magazine in tibetischer Sprache verwendet wird).

Bild 11: Das Plakat und das Seil, an dem die Felle vor dem Verbrennen aufgehängt wurden.

Bild 12: Eine Kopie der Ankündigung der Veranstaltung (Übersetzung s. u.).

Bild 13: Die besten Pelze werden gezeigt und fotografiert, bevor sie an das Seil gehängt werden. Besonders bemerkenswert ist dabei die Frau in Gebetshaltung.

Bild 14: Der Pelz von Bild 13 hängt jetzt am Seil.

Bild 15: Die Menge beobachtet, wie immer mehr Pelze herangetragen werden.

Bild 16: Der Scheiterhaufen von Kirti.

Bild 17: Der Scheiterhaufen von Kirti mit dem Kloster im Hintergrund.

Bild 18: Leopardenfelle, ehe sie auf den Scheiterhaufen geworfen werden.

Bild 19: Eine große Anzahl von Tibetern schaut auf den Scheiterhaufen mit den brennenden Fellen.

Da sie wissen, daß die chinesischen Behörden Tibeter, die “unter fremdem Einfluß handeln” (chinesische Umschreibung für den Dalai Lama und exiltibetische Kreise), gewöhnlich mit Argwohn betrachten, haben die Organisatoren der Verbrennungsaktion die religiöse Natur des Ereignisses heruntergespielt. Obwohl es während des Winterfests, einer religiösen Zeremonie, stattfand, war der für die Aktion ausgewählte Ort nicht auf dem Gelände des Klosters Kirti, sondern in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Die Mönche beteiligten sich nicht daran, sie blieben im Kloster, wo sie ihre Gebetszeremonien abhielten. Die Aktion war gut vorbereitet worden, und es wurde eine in tibetischer Sprache gedruckte Ankündigung (Bild 12 und untenstehende Übersetzung), die in der international üblichen Terminologie für Umweltschutzfragen gehalten ist, verteilt. Darin werden Schlüsselsätze aus offiziellen Quellen zu diesem Thema zitiert. Das Gedicht am Schluß ist jedoch deutlich von religiöser Literatur inspiriert. Die ortsansässigen Tibeter beteiligten sich aktiv an der Verbrennung, bestritten allerdings vehement, daß diese irgend etwas mit dem Dalai Lama zu tun habe, und gestanden nur zögerlich deren religiöse Natur ein. Die Teilnehmer ermutigten die anwesenden ausländischen Touristen dazu, Fotos zu machen und diese in ihren Heimatländern zu zeigen und mit ihren Freunden darüber zu sprechen. Augenzeugen berichteten, das Ausstellen der Felle vor dem Verbrennen hätte, genau wie in Thangkor, eine starke Wirkung auf die Leute ausgeübt und viele zum Mitmachen bewegt. Einer von ihnen kommentierte: “Obwohl ständig Pelze vom Seil zum Scheiterhaufen getragen wurden, schienen es nicht weniger zu werden. Immer mehr Leute kamen und brachten noch mehr Felle. Es war fast so, daß, je mehr Felle man verbrannte, desto mehr ans Seil gehängt wurden.”

Ankündigung:

Jeder Bürger der VR China trägt Verantwortung für den Schutz der Umwelt und der Wildtiere. Angesichts des aus dem Gleichgewicht geratenen Ökosystems fühlen sich die Menschen unsicher und bedroht. Zahlreiche zivilisierte Staaten auf der ganzen Welt schützen die Umwelt schon seit langem. Diese Bewegung hat nun auch in Tibet Einzug gehalten, und an Orten wie Rebkong und Lhasa ist eine zunehmende Tendenz zur Verbrennung von Tiger-, Leoparden-, Wolfs- und Fischotterfellen festzustellen. Analog dazu haben wir, gewöhnliche Bürger unseres Distrikts, eine ähnliche Aktion für den 14. Tag des Kirti-Gebetsfests geplant. Jeder, der daran teilnehmen möchte, ist willkommen.

Das Fell von Tieren ist der Schmuck von Narren.
Wilde Tiere sind die Freunde der Menschen.
Wenn es keine Käufer gibt, wird es auch keine Verkäufer mehr geben.
Wenn es keine Verkäufer gibt, wird den Tieren kein Leid mehr geschehen.
Das Leiden der Tiere kann niemandem Freude bringen.
Wir erfreuen uns des Glücks.
Natürlich möchten auch die Tiere glücklich sein.

10. Februar 2006