29. März 2006
TibetInfoNet
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Pelzverbrennungen in Gansu

Wie aus tibetischen Quellen verlautet, kam es im äußersten Osten Tibets zu weiteren Pelzverbrennungen in großem Umfang. Diese Gegend scheint eine Hochburg der Bewegung zu sein, die sich auf den Appell des Dalai Lama hin entstanden ist. Er hatte die Tibeter dazu aufgerufen, keine Pelze von Wildtieren mehr für die Verbrämung ihrer Kleidung oder Fest-Chubas zu verwenden. Die erste Pelzverbrennung fand am 11. März 2006 in der Nähe des Klosters Labrang Tashi Kyil (chin: Xiahe) statt, bei dem es sich um eines der größten Klöster in Tibet handelt. Am 14. März 2006 kam es in Tsoe (chin. Hezuo) zur zweiten derartigen Aktion. Ungefähr zur gleichen Zeit soll es in diesen beiden Distrikten (etwa im Dorf Drongmar) weitere Aktionen in kleinerem Rahmen gegeben haben. Beide Distrikte gehören heute zur Provinz Gansu.

Über die Umstände der Pelzverbrennung in Labrang ist nur wenig bekannt geworden. Unseren Quellen zufolge wurden vier Mönche verhaftet, jedoch ist ihre Identität nicht bekannt, ebensowenig, was weiter mit ihnen geschah. Dagegen gibt es eine umfangreiche Dokumentation über die Aktion in Tsoe, einer Stadt mit einer ansehnlichen Einwohnerzahl. Das Ereignis dort wurde von 50 oder 60 engagierten Personen – sowohl Mönchen als auch aus Laien – organisiert, von denen mehrere in der örtlichen Verwaltung tätig sind. Ursprünglich sollte die Aktion am 10. März stattfinden, aber dieses Datum fiel mit dem Jahrestag des Aufstands von Lhasa im Jahr 1959 zusammen und wurde deshalb von den Organisatoren als politisch zu heikel verworfen, denn die Leute hätten sich von der Teilnahme abgeschreckt sehen können. Daher wurde der Termin auf den 14. März 2006 verlegt, der in diesem Jahr auf den 15. Tag des ersten Monats des tibetischen Mondkalenders fiel, an dem traditionsgemäß eines der größten tibetischen Feste, das Choenga Choepa, stattfindet. Bei diesem Fest pflegen die Leute Gaben in die umliegenden Klöster zu bringen.

Die Verbrennung fand auf einem freien Platz vor dem Kloster Tsoera Kharguthog in der Stadt Tsoe statt – einem der populärsten Klöster in der Region. Dieser Ort wurde gewählt, weil sich dort eine große Menschenmenge außerhalb der Klosteranlage versammeln kann, was die Behörden vielleicht weniger aufbringen würde.

Das Ereignis dauerte vier Tage. Am ersten Tag wurden Pelze im Wert von ca. 10.000.000 Yuan (1.037.280 Euro) verbrannt. Die am folgenden Tag verbrannten Pelze sollen sogar 20.300.000 Yuan (2.091.740 Euro) wert gewesen sein. Obwohl es nicht möglich ist, diese uns genannten hohen Wertangaben zu verifizieren, spiegeln sie doch das schiere Ausmaß der Aktion wider. Pelze sind in der Tat ausgesprochen teuer, und ihre Anschaffung überschreitet häufig das Einkommen einer Familie derart, daß sie für Jahre verschuldet ist. Dies besagt auch, welche Bedeutung ihrer Zerstörung beizumessen ist.

Augenzeugen berichten, die Reaktion auf das Ereignis sei enthusiastisch gewesen. Jedes Mal, wenn wieder neue Pelze in Flammen aufgingen, riefen die Menschen „kida“, einen Ausruf, der normalerweise den erfolgreichen Abschluß einer wichtigen Unternehmung markiert. Die Verbrennungen gingen auch am dritten und vierten Tag weiter, allerdings waren es nun deutlich weniger Pelze, was schließen läßt, daß die Gegend mittlerweile „pelzfrei“ geworden war. Während die Pelze brannten, rezitierten einige Tibeter leise Gebete für den Dalai Lama, andere nahmen währenddessen Videos auf oder fotografierten das Ereignis mit der ausdrücklichen Absicht, die Welt davon in Kenntnis zu setzen.

In Tsoe ist man allgemein der Ansicht, der Zweck der Aktion sei vor allem gewesen, dem Dalai Lama einen Gefallen zu tun, und viele Tibeter baten darum, ihm von diesem Ereignis zu berichten. Nach der Verbrennung erschien die chinesische Polizei, aber griff nicht ein. Niemand wurde verhaftet oder verhört.

Während anderenorts ähnliche Aktionen von Tibetern in Gang gesetzt wurden, die aus Indien zurückkamen, wo der Dalai Lama anläßlich der Kalachakra-Zeremonie die Verwendung von Produkten von Wildtieren verurteilt hatte, scheint dies in Tsoe nicht der Fall gewesen zu sein. Außer einem älteren Mann hatte in Tsoe niemand die für eine Reise nach Indien erforderlichen Dokumente bekommen. Die Bevölkerung in Tsoe spricht außerdem einen Dialekt, der sich von dem in Zentraltibet deutlich unterscheidet, weshalb es für sie schwierig gewesen wäre, die Worte des Dalai Lama richtig zu verstehen. Das läßt vermuten, daß die Botschaft des Dalai Lama Tsoe durch mündliche Übermittlung erreichte.

In der Planungsphase der Aktion wurde in Anlehnung an die tatsächlichen Worte des Dalai Lama vorgeschlagen, die aus wilden Tieren hergestellten Produkte einfach zu verkaufen, anstatt sie zu verbrennen. Die Menschen sprachen sich jedoch dagegen aus, weil man so einem späteren Wiederverkauf und einer erneuten Nutzung Vorschub geleistet hätte. Daher wurde diese Option verworfen und beschlossen, daß Verbrennen die einzige Möglichkeit sei, um des Problems ein für allemal Herr zu werden.

Obwohl in Tsoe derzeit keine weiteren Aktionen dieser Art geplant sind, wird das Tragen von Pelzen von der öffentlichen Meinung in der Stadt verworfen. Vor einigen Tagen wurde eine junge Frau, die mit einem Hut aus Wolfspelz auf der Straße spazierte, beschimpft und lächerlich gemacht.