31. Mai 2006

TibetInfoNet
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Übersetzung aus dem Englischen

Der 14. März, der neue Parteisekretär der TAR,  ein „letzter verzweifelter Kampf“ und „die Köpfe der Mönche und Nonnen“

Nach einem Winter, der von dem religiösem Enthusiasmus der Tibeter und Loyalitätsbezeigungen gegenüber dem Dalai Lama gekennzeichnet war, hat Peking eine deutliche Warnung vor weiteren politisch unerwünschten buddhistischen Aktivitäten ausgesprochen und betont, man würde dergleichen nicht tolerieren. Gleichzeitig wurden die örtlichen Behörden zu vermehrter Wachsamkeit gegenüber den “internationalen antichinesischen Kräften” und der “Dalai-Clique” gemahnt. Die zahllosen Pelzverbrennungsaktionen im Anschluß an die Aufforderung des Dalai Lama, keine Felle von Wildtieren mehr zu tragen, und der Vorfall vom 14. März im Kloster Ganden, wo eine Statue von Dorje Shugden zerstört wurde, bildeten in dieser Hinsicht den Höhepunkt der Saison.

Shugden ist eine Gottheit, von deren Verehrung der Dalai Lama abrät, doch die chinesischen Behörden fördern diesen Kult bewußt und aus ihren eigenen Gründen. Bei einer Konferenz führender regionaler Parteikader, die am 15. und 16. Mai 2006 von der Kommunistischen Partei der TAR abgehalten wurde, wurde ausdrücklich auf dieses Ereignis Bezug genommen. Obwohl die jüngsten Loyalitätsbezeigungen gegenüber dem Dalai Lama in Tibet sehr deutlich waren, sind sie grundsätzlich nichts Neues. Die Unerschrockenheit, mit der sie ausgeführt wurden und die Aufmerksamkeit, die sie in den Medien erregten, machten die chinesische Führung offenbar recht nervös. Für sie konnte diese Aufmerksamkeit zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen, wird doch in wenigen Wochen im grellen Licht internationaler Medienpräsenz die Eröffnung der Eisenbahnlinie Peking-Lhasa stattfinden. Zhang Qingli, der in seiner Funktion als amtierender Sekretär des Parteikomitees der Konferenz vorstand, wurde am 30. Mai, ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt in der Provinz, endgültig zum Parteisekretär der TAR ernannt. Zhang, der den bisherigen Parteichef Yang Chuantang ersetzt, war früher, ebenso wie KP-Sekretär Hu Jintao selbst, Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Jugendliga Chinas. Zhang tat auch in Xinjiang Dienst, wo er “wertvolle Erfahrungen in der Arbeit in entlegenen und problematischen Regionen sammelte”.

Der Vorfall in Ganden

Am 14. März 2006 zerstörten Mönche im Kloster Ganden, dem Hauptkloster der Gelugpa-Schule des tibetischen Buddhismus, eine Statue von Shugden, einer Schutzgottheit, die mit sektiererischen Tendenzen unter den Gelugpa in Verbindung gebracht wird. Seit 1996 hat der Dalai Lama wiederholt seine Mißbilligung des Shugden-Kults zum Ausdruck gebracht. Ein Streit unter den Mönchen führte zum Eingreifen der Sicherheitskräfte und zur Verhaftung mehrerer von ihnen. Es scheint, daß die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua zuerst – allerdings erst ein paar Wochen danach – über den Vorfall berichtete, wobei sie ihn als “einen Fall von Mißachtung der religiösen Freiheit durch den Dalai Lama” darstellte.

Trotz vieler, sich oft widersprechender Gerüchte sind bisher kaum Einzelheiten über den Vorfall ans Licht gekommen. Als relativ sicher gilt jedoch, daß 17 der festgenommenen Mönche wieder freigelassen wurden, nachdem sie eine Erklärung unterzeichneten, in der sie ihre “Verbrechen” zugaben und sich bereit erklärten, für den “angerichteten Schaden” aufzukommen. Damit ist vermutlich die Finanzierung der Wiederherstellung der von ihnen zerstörten Shugden-Statue gemeint. Da die meisten Mönche persönlich über keine finanziellen Mittel verfügen, hätten ihre Familien für die Zahlung der notwendigen Summe gebürgt oder würden diese selbst beibringen, hieß es ferner.

Obwohl sich der Vorfall in Ganden ereignete und in erster Linie die dortigen Mönche betraf, geht aus einer Quelle hervor, es seien auch Mönche aus zwei anderen Klöstern daran beteiligt gewesen. Bei einem habe es sich um das westlich von Lhasa in der Nähe von Nyethang und Chushul gelegene Kloster Rato gehandelt. Rato gehört heute der Gelugpa-Schule an, früher war es ein Kloster der Kagyupa-Schule des tibetischen Buddhismus. Es ist bekannt für seinen hohen Standard in buddhistischer Dialektik, und jeden Winter versammeln sich dort Mönche aus anderen Klöstern, um sich in dieser Disziplin zu üben. Bezüglich des dritten an der Sache beteiligten Klosters sind die Angaben widersprüchlich.

Der Vorfall könnte mit der religiösen Euphorie auf dem Höhepunkt der Pelzverbrennungsbewegung in Zusammenhang gebracht werden, er könnte aber auch als eine Reaktion der Mönche der Gelugpa-Schule auf den ständigen Druck gesehen werden, der von den Behörden auf sie ausgeübt wird, sich in der Shugden-Frage öffentlich gegen den Dalai Lama zu stellen.

Im Herbst 2005 erhielt beispielsweise das Kloster Labrang (chin. Xiahe, Provinz Gansu) unaufgefordert ein Angebot des in Italien lebenden Gangchen Rinpoche, eines bekannten Vertreter des Shugden-Kults, die Kosten für den Bau eines neuen Dormitoriums für die Mönche zu übernehmen. Dieses Angebot wurde von großzügigen persönlichen Spenden an die Mönche begleitet. Allerdings gab es eine Bedingung für die Finanzierung des Dormitoriums: Die Mönche müßten der Errichtung eines Shugden-Schreins in ihrem Kloster, ähnlich wie dem in Ganden, zustimmen. Obwohl die dortige Behörde für religiöse Angelegenheiten erheblichen Druck ausübte, wurde das Angebot von den Mönchen, nachdem sie eine Sitzung abgehalten hatten, abgelehnt

Die Vorschriften über die Religionsausübung müssen „in die Köpfe der Mönche und Nonnen dringen“

Einem Bericht der Zeitung “Tibet Daily” vom 17. Mai 2006 zufolge hatte die Konferenz vom 15. und 16. Mai vor allem den Zweck, “einen Plan zur Bekämpfung des Separatismus zu erörtern und auszuarbeiten”. Statt neue Richtlinien aufzustellen, befaßte man sich jedoch mit der “gründlichen Umsetzung der bestehenden Richtlinien”, der “Realisierung des Geistes der Instruktionen der Zentralpartei” und der “Notwendigkeit einer korrekten Analyse der derzeitigen Lage in Tibet” [d.h. in der TAR], um eine “stürmische” Entwicklung der Wirtschaft und die “permanente Sicherheit im Lande” zu gewährleisten. Der stellvertretende Sekretär des Parteikomitees der TAR, Thubten Tsewang, einer der drei ranghöchsten Tibeter in der politischen Hierarchie der TAR, informierte die Teilnehmer der Konferenz eingehend über den “Ganden-Vorfall vom 14. März”. Die beiden anderen, Jampa Phuntsog (chin. Qiangpa Puntso), Vorsitzender der TAR-Regierung, und Leqcog, Vorsitzender des TAR-Kongresses, “gaben die Instruktionen der Parteizentrale weiter und sprachen das Schlußwort.”

Die programmatische Rede wurde indessen von dem Chinesen Zhang Qingli gehalten, der zu diesem Zeitpunkt noch amtierender Sekretär des Parteikomitees der TAR war. Zhang unterstrich die von ihm festgestellte Notwendigkeit, das Verständnis für Tibets angespannte Sicherheitslage zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu vertiefen. Er forderte die Teilnehmer auf, “endlich aufzuwachen und die Leute zum sofortigen Handeln zu veranlassen”. Weiter betonte Zhang, die TAR sei “auf Grund ihrer besonderen politischen und historischen Gegebenheiten” der Brennpunkt in Chinas Kampf gegen die “Dalai-Clique und die feindlichen Kräfte im Westen”. Diese, so sagte Zhang, hätten in der Region in letzter Zeit “ständig irgendwelche Vorfälle vom Zaum gebrochen” und “ausgefeilte Pläne zur Durchführung ihrer spalterischen Aktivitäten geschmiedet”. Die “feindlichen Kräfte des Westens” hätten die “Dalai-Clique zu einem “letzten verzweifelten Kampf angefeuert”. Zhang erklärte, ohne ins einzelne zu gehen, eine Vielzahl von Fakten beweise, daß der Dalai Lama der “Oberbefehlshaber der politischen Separatistenclique ist, die sich verschworen hat, die Unabhängigkeit Tibets herbeizuführen”, daß er außerdem ein “echtes Werkzeug der internationalen gegen China gerichteten Kräfte” und der “Hauptgrund für die sozialen Unruhen in Tibet ist”.

Zhang Qingli mahnte die Teilnehmer der Konferenz, daß der Kampf gegen den Dalai Lama “ein Kampf auf Leben und Tod” sei. Weiter sagte er, die “Patriotische Erziehung” in den Klöstern müsse “entschieden und energisch durchgeführt werden” und die “Demokratischen Verwaltungskomitees” (in den meisten Klöstern eingerichtete staatliche Organe, über welche die Behörden die religiösen Einrichtungen von innen kontrollieren) müßten überholt und konsolidiert werden. Es müsse sichergestellt werden, daß “die Macht der Autorität fest in den Händen von religiösen Amtsträgern liegt, die patriotisch gesinnt sind und die Religion lieben” und daß die “Vorschriften für religiöse Angelegenheiten” auch richtig umgesetzt werden. Ferner müßten die Verfassung und das Gesetz “Einzug in die Klöster halten” und “in die Köpfe der Mönche und Nonnen dringen”.