Februar 2004
Human Rights Update
Februar 2004
  1. Nachruf auf Tsemoling Dawa
  2. Patriotische Umerziehungskampagne im Kloster Rabten
  3. Tulku Tenzin Delek im Gefängnis Chuandong
  4. Das US-Außenministerium kritisiert die chinesischen Menschenrechtsverletzungen in Tibet
  5. Phuntsog Nyidrol nach 15 Jahren Haft entlassen
  6. Langjährige Haftstrafe für das Abhalten einer Gebetszeremonie

Teil 1

Nachruf auf Tsemoling Dawa

Der frühere politische Gefangene Tsemoling Dawa verstarb am 22. Februar 2004 im Alter von 67 Jahren bei sich zu Hause in Lhasa. Das TCHRD entbietet Dawa seine tiefste Hochachtung und würdigt sein entschiedenes Eintreten für die Rechte des tibetischen Volkes.

Tsemoling Dawa wurde 1937 in Lhasa geboren. In jungen Jahren trat er in das Kloster Sera ein, doch wurde er später wieder Laie. Sein älterer Bruder Gyaltsen war vor 1959 Beamter der tibetischen Regierung, und als Tibet von den Chinesen besetzt wurde, floh er nach Indien. Nach der Niederschlagung des tibetischen Volksaufstandes 1959 brandmarkten die Chinesen die Familie als "feudal und reaktionär" und konfiszierten ihren Besitz. Dawa kam in verschiedene Lager zur Reform-durch-Arbeit.

Von 1960-64 mußte er im Elektrizitätswerk Nyachen östlich von Lhasa Zwangsarbeit leisten und von 1964-66 in dem Gechik Kraftwerk in Kongpo. Er arbeitete unter äußerst gefährlichen und unhygienischen Bedingungen auf dem Bau. Weil er als "Reaktionär" eingestuft war, erhielt er keine Entlohnung für seine Arbeit. Nach seiner Rückkehr nach Lhasa fand er Arbeit als Bauarbeiter und dank anderer kleinerer Jobs, welche er die nächsten 15 Jahre verrichtete, konnte er seine Familie ernähren.

Im Juli 1980, als die erste tibetische Exil-Delegation Lhasa besuchte, tat Dawa sich hervor, um kundzutun, daß die Tibeter unter der chinesischen Herrschaft unendlich leiden. Aus der Menschenmenge rief er Parolen wie "Free Tibet" und "Lange lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama", voll bewußt, daß ihn grausame Bestrafung erwartet, wenn er gefaßt wird. In der riesigen Menge konnte er jedoch untertauchen und entging so vorerst der Festnahme.

Vor den Feiern zum 20. Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Tibet (TAR) 1985 trafen die Behörden alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen, um politische Aktivitäten im Keim zu ersticken. Dawa wurde in die Gutsa Haftanstalt gesteckt, wo er 4 Monate blieb.

Am 10. Dezember 1988 riefen Dawa und einige seiner Landsleute Unabhängigkeitsparolen am Barkhor-Markt. Dawa band eine tibetische Nationalflagge an seinen Gehstock und schwang diesen in der Luft. Er führte den Protestmarsch an, mit einigen jüngeren Tibetern hinter ihm, denen er riet, ihm einfach zu folgen, weil er nicht wollte, daß sie die besten Jahre ihres Lebens hinter Gittern verbringen müßten. Er sagte, er hätte keine Angst zu sterben und nehme die Verantwortung für den Protest auf sich. Das PSB-Personal nahm ihn augenblicklich fest und führte ihn in das nächst gelegene Haftzentrum ab. Später wurde er zu drei Jahren in Gutsa verurteilt. Ziemlich bald litt er jedoch unter ernsten gesundheitlichen Problemen als Folge der Mißhandlungen und Schläge, die ihm die Gefängniswachen verabreicht hatten, so daß er am Ende des ersten Gefängnisjahres aus medizinischen Gründen zur Bewährung entlassen wurde. 1997 wurde er erneut vom PSB verhaftet und auf Grund seiner politischen Aktivitäten zu drei Jahren Zwangsarbeit im Lager Trisam verurteilt. Nach Verbüßung seiner Strafe wurde er 2000 entlassen und verbrachte die restlichen Jahre seines Lebens in Lhasa.

Wegen der Mißhandlungen im Gefängnis war er ständig krank gewesen. Dawas Gesundheitszustand verschlechterte sich Ende 2003 zusehends. Er war erst 67 Jahre alt, als er am Abend des 22. Februar 2004 verstarb. Diejenigen, die Dawa kannten, schätzten ihn nicht nur als einen beharrlichen politischen Aktivisten, sondern auch als einen guten Menschen. Kaum war er aus dem Gefängnis heraus, tat er alles Erdenkliche, um anderen Gefangenen zu helfen, indem er ihnen Nahrungsmittel und Kleidung in die Haftanstalt brachte und ihnen Mut machte, weiterzuleben und durchzuhalten.

Teil 2

Patriotische Umerziehungskampagne im Kloster Rabten

Das Kloster Rabten im Dorf Tsachu, Distrikt Driru, TAR, ist mit einer Belegschaft von etwa fünfzig Mönchen nicht besonders groß. Als die Chinesen 1996 mit der "patriotischen Umerziehungskampagne" begannen, blieb selbst dieses entlegene Kloster nicht verschont. Behördenvertreter auf Dorf- und Distriktsebene suchten das Kloster heim und beriefen zahlreiche Versammlungen ein. Die Mönche von Rabten wurden dazu gezwungen, den Dalai Lama und seine "Separatistenclique" zu verurteilen, sie mußten Tibet als einen unveräußerlichen Teil Chinas akzeptieren und den von Peking eingesetzten Panchen Lama Gyaltsen Norbu als den wahren Panchen Lama Tibets anerkennen. Die Kampagne trieb die Mönche zur Verzweiflung.

Die drei Mönche Lobsang Tharchin, Lobsang Tenkyong und Lobsang Choejor, alle Mitte zwanzig, konnten die andauernde Indoktrination nicht mehr ertragen und entschieden sich, dagegen zu protestieren. In ihrem Zimmer schrieben sie heimlich Plakate mit den Schlagworten "Freiheit für Tibet", "Tibet gehört den Tibetern" und "Lang lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama". Anschließend brachten sie diese im Schutze der Dunkelheit am Tor der Dorfverwaltung an. Gleich am nächsten Morgen liefen die Nachforschungen des Public Security Bureau (PSB) an. Am 3. März 1996 kamen Angehörige des PSB nach Rabten, führten die drei Mönche ab und nahmen dabei noch einen weiteren Mönch namens Lobsang Damchoe fest. Die Verhafteten wurden in das Untersuchungsgefängnis des Distrikts Driru geschafft. Lobsang Damchoe wurde am nächsten Tag, nachdem feststand, daß er nichts mit der Sache zu tun hatte, freigelassen. Die anderen wurden weiterhin festgehalten und unter Mißhandlungen verhört. Die sie verhörenden Beamten hieben immer wieder mit Steinen und Stöcken auf die Mönche ein, um Geständnisse und genauere Informationen aus ihnen herauszupressen. Danach wurden sie dem PSB der Präfektur Nagchu überstellt, wo ihnen die Hände gefesselt und hölzerne Schilder um den Hals gehängt wurden, auf denen ihre Namen und ihre "Verbrechen" standen. So zugerichtet wurden die Mönche in einem Kleintransporter auf den Markt gebracht und durch die Straßen gefahren. Auch im Untersuchungsgefängnis Nagchu wurden sie wiederholt gefoltert.

Im Juli 1996 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Nagchu die Mönche zu Freiheitsstrafen von unterschiedlicher Länge. Lobsang Tenkyong wurde zu fünf Jahren verurteilt, Lobsang Tharchin und Lobsang Choejor erhielten je vier Jahre Haft. Lobsang Tenkyong blieb in der Haftanstalt von Nagchu, während Lobsang Tharchin und Lobsang Choejor ins Drapchi-Gefängnis nach Lhasa verlegt wurden. Lobsang Tharchin und Lobsang Choejor wurden im März 2000 aus Drapchi entlassen, nachdem sie ihre Strafe verbüßt hatten. Lobsang Tenkyong wurde im März 2001 aus dem Gefängnis von Nagchu entlassen. Sowohl Lobsang Tharchin als auch Lobsang Tenkyong flohen aus Tibet, um der äußerst strengen Überwachung durch das örtliche PSB zu entgehen. Sie leben heute in einem Kloster in der nordindischen Stadt Dharamsala, in der sich viele tibetische Flüchtlinge niedergelassen haben.

Teil 3

Tulku Tenzin Delek im Gefängnis Chuandong

Wie ICT Berlin am 5. Februar 2004 berichtete, teilte das chinesische Außenministerium auf eine offizielle Anfrage der EU dem deutschen Außenministerium mit, Tulku Tenzin Delek sei im Gefängnis Chuandong im Distrikt Dazu, Provinz Sichuan, inhaftiert. Weiter ließ es verlauten, der Zeitrahmen für die Aussetzung der Todesstrafe würde ab dem Datum des endgültigen Urteils errechnet und das Urteil könnte umgewandelt und gemildert werden.

Dabei verwies das Außenministerium auf den Artikel 50 des chinesischen Strafrechts, der besagt, daß ein Todesurteil in lebenslänglich umgewandelt werden kann, wenn von dem Häftling "während der Haftzeit keine vorsätzliche Straftat" begangen wird, und daß "die Strafe bei vorzüglicher Führung zu einer zeitlich begrenzten Haftfrist von nicht weniger als 15 Jahren und nicht mehr als 20 Jahren reduziert werden kann". Weiterhin heißt es im Artikel 50: "Bei einem nachgewiesenen, vorsätzlich begangenen Verbrechen wird die Todesstrafe unverzüglich nach dessen Bestätigung und der Genehmigung durch den Obersten Volksgerichtshof vollzogen". Gemäß Artikel 51 des Strafrechts der VR China beginnt die Aussetzungsfrist bei einem Todesurteil am Tag des endgültigen Richterspruches. Im Fall von Tenzin Delek Rinpoche war das der 26. Januar 2003, nämlich der Tag, an dem das Urteil vom Höheren Volksgericht der Provinz bestätigt und sein Einspruch zurückgewiesen wurde.

Tenzin Delek Rinpoche wurde am 7. April 2002 wegen angeblicher Beteiligung an "Sprengstoffexplosionen" verhaftet. Am 2. Dezember 2003 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Kardze ihn in einem nicht-öffentlichen Prozeß unter der Anklage der "Verschwörung zu einer Reihe von Sprengstoffexplosionen" und der "Aufwiegelung zum Separatismus" zum Tode mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub. Sein Anhänger Lobsang Dhondup wurde unmittelbar zum Tode verurteilt. Das Höhere Volksgericht von Sichuan hielt den Urteilsspruch der untergeordneten Instanz aufrecht, und Lobsang Dhondup wurde am 26. Januar 2003 unter Mißachtung aller internationalen Proteste und Forderungen nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens unter fairen Bedingungen hingerichtet.

Das Gefängnis Chuandong in der Provinz Sichuan dient seit Jahren als eine Hochsicherheits-Haftanstalt für besonders prominente Gefangene. So war auch Chadrel Rinpoche, der Leiter der Kommission, die mit der Suche nach der Reinkarnation des Panchen Lama beauftragt war, dort inhaftiert. Und der in Kardze hochgeschätzte Lehrer Geshe Sonam Phuntsok verbüßt seine Haftstrafe ebenfalls dort.

Teil 4

Das US-Aussenministerium kritisiert die chinesischen Menschenrechtsverletzungen in Tibet

Am 25. Februar 2004 veröffentlichte das US-Außenministerium seinen alljährlichen Länderbericht über die Menschenrechtspraxis in aller Welt. Anders als in den Vorjahren wurden die Autonome Region Tibet (TAR) und die übrigen, den chinesischen Provinzen Qinghai, Yunnan, Gansu und Sichuan zugeschlagenen tibetischen Gebiete unter der gemeinsamen Überschrift Tibet behandelt. Dem Bericht zufolge ist die Menschenrechtslage in Tibet nach wie vor "erbärmlich", und die Behörden begehen dort weiterhin schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Hinrichtungen ohne gesetzmäßigen Prozeß, Folter, willkürliche Verhaftung, Festnahmen und Haft ohne öffentliches Verfahren und Verhängung langjähriger Haftstrafen für Tibeter, die ihren politischen und religiösen Ansichten auf friedliche Weise Ausdruck verleihen.

Hier einige spezifische Menschenrechtsverletzungen aus dem sieben Seiten umfassenden Teil des Berichtes zu Tibet:

  • Am 26. Januar 2003 wurde der Tibeter Lobsang Dhondup wegen angeblicher Beteiligung an einer Reihe von Sprengstoffanschlägen im Jahr 2002 in der Provinz Sichuan hingerichtet. Unter derselben Anklage wurde gegen den buddhistischen Lehrmeister Tenzin Delek die Todesstrafe mit zweijährigem Aufschub verhängt. Die Prozesse gegen die beiden Männer fanden unter dem Vorwand, es gehe um "Staatsgeheimnisse" unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, und beiden wurde ein fairer Prozeß verweigert und damit auch der Zugang zu einer angemessenen rechtlichen Vertretung. Lobsang Dhondup wurde noch am demselben Tag, an dem seine Berufung vom Höheren Volksgericht der Provinz Sichuan abgelehnt wurde, exekutiert. Dies und die Tatsache, daß das Oberste Volksgericht Chinas den Fall keiner Revision unterzogen hat, wie es ausländischen Regierungsvertretern versprochen worden war, rief bei der internationalen Gemeinschaft ernste Bedenken hervor. Berichten zufolge wurden im März 2003 zwei Tibeter verhaftet, weil sie angeblich Informationen über die Ermittlungen wegen der Bombenattentate in Sichuan vom Jahr 2002, deretwegen Lobsang Dhondup und Tenzin Delek zum Tode verurteilt worden waren, an Ausländer weitergegeben hatten. Im April sollen vier Personen, die zusammen mit Tenzin Delek verhaftet wurden, wieder freigelassen worden sein. Im Juli berichteten NGOs von der Freilassung zweier weiterer Männer, Tsering Dhondup und Tashi Phuntsok; chinesische Regierungsvertreter dementierten hingegen, daß es eine Freilassung gegeben habe. Zum Ende des Jahres war ihr Aufenthaltsort immer noch nicht bekannt.

  • Wie vom Tibetan Centre for Human Rights and Democracy berichtet, wurden die Mönche Kunchok Choephel Labrang und Jigme Jamtruk aus dem Kloster Labrang Tashikyil in der Präfektur Kanlho, Provinz Gansu, am 11. April wegen des Besitzes von Broschüren mit Reden des Dalai Lama verhaftet. Jigme Jamtruk wurde nach 13 Tagen Haft gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt, während der Verbleib von Kunchok Choephel Labrang bis Ende des Jahres immer noch nicht bekannt war.

  • Am 29. August wurden fünf Mönche und ein namentlich nicht bekannter Künstler wegen angeblicher separatistischer Aktivitäten wie dem Zeichnen einer tibetischen Flagge, dem Besitz von Bildern des Dalai Lama und dem Verteilen von Material mit der Forderung nach der tibetischen Unabhängigkeit mit Haftstrafen zwischen einem und zwölf Jahren belegt. Die Namen der Mönche sind Zoepa, Tsogphel, Sherab Dargye (Sherdar), Oezer und Migyur; sie kommen alle aus dem Kloster Khangmar in der Präfektur Ngaba, Provinz Sichuan.

  • Am 2. Oktober verstarb der Mönch Nyima Dragpa aus dem Kloster Nyatso im Gefängnis, vermutlich an den Folgen der brutalen Schläge, die er erhalten hatte.

  • Der im Januar 2002 nach sechseinhalb Jahren Haft wegen Weitergabe von Informationen über die Auswahl des Panchen Lama freigelassene Chadrel Rinpoche befindet sich Berichten zufolge in der Nähe von Lhasa, aber immer noch unter Hausarrest.

  • Da es keinen freien Zugang zu den Häftlingen bzw. den Gefängnissen gibt, ist es schwierig, die genaue Anzahl der tibetischen politischen Gefangenen zu ermitteln oder das Ausmaß und die Intensität der Mißhandlungen einzuschätzen. Tibet Information Network (TIN) schätzt die Zahl der aus politischen Gründen inhaftierten Tibeter auf ungefähr 150 Personen, von denen 75% Mönche und Nonnen sind. Ungefähr 60 politische Gefangene, von denen die meisten wegen des inzwischen aus dem Strafgesetzbuch gestrichenen Delikts der Konterrevolution inhaftiert sind, saßen im Gefängnis der TAR in Lhasa ein. Den Recherchen von TIN zufolge ist die Mehrheit der tibetischen politischen Gefangenen in Lhasa und in Westsichuan inhaftiert. Nachdem die Verhaftungen aus politischen Gründen in der TAR im Jahr 1996 ihren Höhepunkt erreicht hatten, sind sie seither rückläufig geworden; dafür ist aber eine Zunahme in einigen Gebieten der Provinz Sichuan, vor allem in der Präfektur Kardze, zu verzeichnen.

  • Glaubwürdigen Berichten zufolge sind die Gefangenen weiterhin Mißhandlungen ausgesetzt. Ein Beispiel dafür sind die im Mai von Nepal an China ausgelieferten tibetischen Flüchtlinge, die unter anderem mittels Elektroschocks und brutaler Schläge gefoltert wurden oder dadurch, daß sie in extremer Kälte im Freien ausharren mußten. Außerdem wurden sie zu schwerer körperlicher Arbeit gezwungen. Ihre Familienmitglieder wurden massiv um Bestechungsgelder angegangen, durch die ihre Entlassung sichergestellt werden sollte. Die Gefangenen wurden regelmäßig auf ihre politische Einstellung hin überprüft und bestraft, wenn sie dem Staat gegenüber nicht genügend Loyalität bekundeten. Politische Gefangene im TAR-Gefängnis, die keine Reue zeigten, sperrte man zwischen sechs Monaten und einem Jahr in "Isolationszellen" ein, "um ihren Geist zu brechen".

  • Auf Druck der Chinesen lieferte die nepalesische Regierung am 31. Mai 2003 achtzehn Tibeter aus, darunter mehrere Jugendliche, welche die Grenze nach Nepal in der Hoffnung überquert hatten, von dort nach Indien weiterreisen zu können. Im Gegensatz zur üblichen Praxis wurde den Mitarbeitern des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in Kathmandu die Kontaktaufnahme mit den Flüchtlingen verwehrt. Die 18 Tibeter wurden in einen Bus gesetzt und über die Grenze nach China geschafft. Dort wurden sie verhaftet und zuerst in einer Haftanstalt unweit der Grenzstation und später in einem Gefängnis in Shigatse festgehalten. Berichten von NGOs zufolge befanden sich Ende November immer noch mindestens sieben von ihnen in Haft. Die Gefangenen wurden schwer gefoltert, wobei man die Mönche in der Gruppe noch heftiger schlug als die anderen. Von den meisten Gefangenen wurden ebenfalls Bestechungsgelder erpreßt. Die chinesischen Behörden behaupteten, 14 Personen seien kurz nach der Rückkehr nach China freigelassen worden. Zwei Personen hätten aus gesundheitlichen Gründen in der Grenzstation bleiben müssen und zwei weitere wären einige Zeit lang wegen des Verdachts auf kriminelle Handlungen inhaftiert gewesen, allerdings wäre niemand unter Anklage gestellt worden und alle Personen seien bis zum Ende des Jahres entlassen worden. Berichten von NGOs zufolge wurden zum Jahresende annähernd 400-500 Tibeter, die beim Versuch der Grenzüberschreitung gefaßt worden waren, in der als "Tibets neues Empfangszentrum" bezeichneten Haftanstalt in Shigatse festgehalten.


Teil 5

Phuntsog Nyidrol nach 15 Jahren Haft entlassen

Phuntsog Nyidrol, die politische Gefangene mit der längsten Haftstrafe in Tibet, wurde am 26. Februar 2004 aus dem Drapchi Gefängnis entlassen und befindet sich jetzt, wie von John Kamm, dem Präsidenten der Dui Hua Stiftung in San Francisco berichtet, bei ihren Angehörigen in Lhasa.

Phuntsok Nyidon hatte bereits 15 Jahre ihrer Gesamtstrafe von 16 Jahren verbüßt und ihre Entlassung stand für 2005 an. In einem Bericht von Associated Press (AP) sagte John Kamm, der maßgeblich an den Verhandlungen zur Freilassung von Phuntsog Nyidron beteiligt war, er glaube, ihre vorzeitige Freilassung sei vor allem dem von den USA ausgeübten Druck zuzuschreiben, insbesondere einer Resolution (H.Res.157) des Repräsentantenhauses, in der die chinesische Regierung aufgefordert wird, alle tibetischen politischen Häftlinge freizulassen.

Die heute 35jährige Phuntsok Nyidron wurde im Kreis Phenpo östlich der Stadt Lhasa geboren. Mit 18 Jahren trat sie in das Michungri Kloster ein. Zuerst wurde sie am 14. Oktober 1989 wegen Teilnahme an einer friedlichen Demonstration in Lhasa festgenommen und wegen "konterrevolutionärer Propaganda und Aufwiegelung der Volksmassen" und als Anführerin der Demonstration zu 9 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihre Strafe wurde auf 17 Jahre verlängert, nachdem sie 1993 zusammen mit 13 weiteren Nonnen heimlich Loblieder auf den Dalai Lama und Lieder mit dem Ruf nach Freiheit für Tibet auf eine Tonkassette aufgenommen hatte, die dann aus dem Gefängnis und schließlich sogar aus Tibet geschmuggelt wurde. Im April 2001 wurde ihre Strafe um ein Jahr reduziert, womit ihre Entlassung für 2005 bevorstand.

Phuntsok Nydron erhielt 1995 den renommierten Reebok Menschenrechtspreis, der Menschen auf der ganzen Welt ehrt, die angesichts großer Widrigkeiten einen bedeutsamen Betrag für die Sache der Menschenrechte geleistet haben. Ebenso wurde sie von dem "The June 4th Anniversary Committee" und "The China Peace" für ihr mutiges Opfer auf dem Gebiet der Menschenrechte geehrt.

Das TCHRD begrüßt die Freilassung von Phuntsok Nydron, stellt jedoch fest, daß Chinas Entlassung profilierter politischer Gefangener vor der jährlichen Tagung der UN Menschenrechtskommission nichts Ungewöhnliches ist. Es ist der Ansicht, daß Phuntsoks Freilassung nur wenige Wochen vor der 60. Sitzung der UNHCHR und angesichts der Möglichkeit, daß die USA eine china-kritische Resolution einbringen könnten, zeitlich von China kalkuliert wurde.

Das TCHRD sieht in der Freilassung einzelner bekannter tibetischer politischer Gefangener kein Zeichen für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in Tibet. 2003 dokumentierte das TCHRD 157 Fälle tibetischer politischer Gefangener, die in einem Netzwerk von Gefängnissen in Tibet schmachten. Die Regierung sollte alle politischen und Gewissensgefangenen entlassen, falls sie es aufrichtig meint mit der Verbesserung der Menschenrechtspraxis.

Teil 6

Langjährige Haftstrafe für das Abhalten einer Gebetszeremonie

Das Kloster Khangmar in der Gemeinde Sangkar, Distrikt Marthang, TAP Ngaba, ist mit 120 ordinierten Mönchen von mittlerer Größe. Abgesehen von ein paar Routinebesuchen blieb es lange Zeit von der Einmischung der chinesischen Behörden verschont. Eine Mitte Januar 2003 durchgeführte Lang-Lebens-Gebetszeremonie für den Dalai Lama führte jedoch zur Verhaftung von fünf Mönchen und einem Thangka-Maler. Zehn der dortigen Mönche hielten Mitte Januar 2003 eine Lang-Lebens-Gebetszeremonie für den Dalai Lama und für die erfolgreiche Vollendung der Kalachakra-Initiation in Bodh Gaya, Indien, ab. Die Mönche schritten zu diesem Werk, weil der Dalai Lama im vergangenen Jahr erkrankt war und deshalb vorübergehend die Belehrungen aussetzen mußte.

Kaum hatte das PSB von der Gebetszeremonie in Khangmar Wind bekommen, fiel es im Kloster ein, um die Mönche zu verhaften. Nach Festnahme der Mönche durchsuchten die Polizisten ihre Räume. Dabei wurde eine große Anzahl von Bildern des Dalai Lama und des Panchen Lama entdeckt. Die Mönche wurden ins PSB-Haftzentrum der TAP Ngaba geschafft. Inhaftiert wurden Sherthar, Soepa, Woeser, zwei Mönche mit dem Namen Tsogphel (einer davon 28 Jahre alt). sowie ein Thangka-Maler. Der 28-jährige Tsogphel wurde nach zwei Monaten aus der Haft entlassen. Am 29. August 2003 verurteilte der Mittlere Volksgerichtshof von Ngaba die fünf Mönche und den Thangka-Maler zu folgenden Gefängnisstrafen: Sherthar (35) Soepa (33) und Tsogphel (31) zu je zwölf Jahren und Woeser (30) zu acht Jahren, während ein weiterer Mönch Migyur und der Thangka-Maler je ein Jahr bekamen. Die Mönche stammen alle aus Nomadenfamilien und waren dem Kloster in unterschiedlichem Alter beigetreten. Tsogphel ist am rechten Arm behindert. Der Thangka-Maler stammt ursprünglich aus dem Distrikt Barkham, war aber ständig unterwegs, um in Klöstern und Privathäusern Thangkas zu malen. Die Mönche mit den langjährigen Strafen sind vermutlich in das Gefängnis Maowan (chin: Aba Jian yu) in dem Autonomen Distrikt Maowan Qiang in der TAP Ngaba, das für Langzeit-Gefangene aus den Regionen Ngaba und Kardze vorgesehen ist, verlegt worden.