14. Juli 2003
Department of Information and International Relations (DIIR),
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Tibet 2003: Zustand der Umwelt: Eine Road Map für sinnvolle Entwicklung

Pressemitteilung

In seinem Vorwort nennt Professor Samdhong Rinpoche, der Kalon Tripa ("Ministerpräsident der Regierung im Exil"), den neuen Bericht eine "positive Road Map", die "als eine solide Grundlage für bessere Zusammenarbeit auch auf anderen lebenswichtigen Gebieten dienen könnte". Der Bericht über den Zustand der Umwelt in Tibet wurde heute vom Department of Information and International Relations (Abteilung für Information und internationale Beziehungen) herausgegeben.

In Anbetracht des hohen Grades offizieller Besorgnis um den Schutz des tibetischen Plateaus forderte Samdhong Rinpoche die Volksrepublik China dringend dazu auf, zum Wohle der zukünftigen Generationen von Tibetern und der Völker der benachbarten Länder, denen die Ressourcen des Ökosystems der größten Hochebene der Welt zugute kommen, ein "aufgeklärteres Denken" an den Tag zu legen.

"Ich glaube, daß Umweltfragen und die unbedingte Notwendigkeit des Umweltschutzes zwei Bereiche sind, in denen sich die Ansichten Pekings und der "Central Tibetan Administration" (tibetische Zentralverwaltung) wirklich annähern," meinte der tibetische Exilpolitiker.

Der Bericht deckt jedoch auf, daß China, obwohl es in den letzten Jahren offiziell eine umweltfreundlichere Politik verfolgt, Tibet weiterhin mit potentiell zerstörerischen Mega-Entwicklungsprojekten wie Eisenbahnlinien, Öl- und Gaspipelines, petrochemischen Großfabriken, Staudämmen, neuen Flugplätzen, Fernstraßen, Militärbasen und neuen Städten für Einwanderer aus Zentralchina überschwemmt. Der Zustrom von Millionen chinesischer Siedler in ein empfindliches trockenes Land ist mehr, als es auf Dauer vertragen kann. Das gegenwärtige, viel gerühmte Programm zur Entwicklung des Westens wird die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen Tibets zum Nutzen Chinas noch erhöhen.

Dieses Weißbuch dokumentiert das massive Mißmanagement der Umwelt Tibets in den letzten 50 Jahren, dessen Ergebnis ein Verlust des biologischen Artenreichtums, die Erosion von Weideflächen und verheerende Überschwemmungen in den weiter flußabwärts gelegenen Gegenden in Süd- und Südostasien sind.

"Tibet 2003: Zustand der Umwelt" ist die neueste Veröffentlichung der politischen Serie der CTA (Central Tibetan Administration). Der Bericht ruft China dazu auf, seine gegenwärtigen Megaprojekte zu überdenken und sie durch kleinere Entwicklungspläne zu ersetzen, die den Tibetern spürbaren Nutzen bringen, ohne das empfindliche tibetische Ökosystem zu schädigen. Mammut-Projekte, welche die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen Tibets zum Zweck haben, sind u.a. die geplanten Gold-, Kupfer- und Chromminen, Energienetze und ein Staudamm nach dem anderen. Experten befürchten, daß diese eine verheerende Auswirkung auf Tibet, Zentralchina und alle angrenzenden Länder, die auf die lebenswichtigen Flüsse aus dem tibetischen Hochland angewiesen sind, haben könnten. Die katastrophalen Überschwemmungen am Yangtse von 1998, die, wie China jetzt selbst zugibt, durch Jahrzehnte der zügellosen Abholzung in Tibet verursacht wurden, sind eine deutliche Lehre, daß wirtschaftliche Entwicklung nicht auf Kosten der Umwelt einer ganzen Region erfolgen darf. Jetzt hat China eine Politik der Wiederaufforstung und Wiederherstellung von Weideflächen eingeführt, aber dieser Bericht zeigt, daß sie selten effektiv ist und den armen Tibetern, deren Lebensunterhalt von diesen natürlichen Ressourcen abhängt, kaum Nutzen bringt.

Das Weißbuch beleuchtet die Erosion der ausgedehnten Prärien Tibets - vor nur 50 Jahren noch die Heimat riesiger wilder Herden, die sich frei unter die Yak- und Schafherden der Nomaden mischten. Wenn ein Regenwald zerstört wird, ruft dies weltweites Entsetzen hervor, aber wenn Weideland unermeßlichen Ausmaßes durch die Fehler staatlicher Politik erodiert, ist der Verlust der biologischen Vielfalt und der Lebensgrundlage der Nomaden quantitativ und qualitativ nur schwer zu erfassen, aber dennoch gleichermaßen verheerend.

Ein aktuelles Beispiel für die Kluft zwischen Pekings Beteuerungen seines Umweltbewußtseins und der tatsächlichen Praxis ist die geplante Zerstörung der Ökologie und des optischen Bildes einer Gegend von legendärer Schönheit und ungewöhnlicher biologischer Vielfalt. Dieses Projekt ist für Tibeter besonders schmerzlich.

Am Megoe-See (tib. Megoe Tso-Ring, chin. Mugecuo) im schroffen Südosttibet ist ein 250 Millionen US-Dollar teurer Staudamm geplant. Der Megoe-See liegt auf dem 102. östlichen Längengrad und dem 30. nördlichen Breitengrad, nahe dem östlichen Rand des tibetischen Plateaus an einem Zufluß des Yangtse-Flusses; er ist ein Pilgerziel auf 4 000 m Höhe, umgeben von über 30 kleineren Seen. Unter Ökologen, Botanikern, Geologen und Landschaftsfotografen ist er in China und weltweit berühmt.

Der Megoe-See ist den Tibetern heilig, die diesen wertvollen Pilgersee von der UNESCO in die Liste des Welterbes aufgenommen haben wollen, damit die Welt daran teilhaben kann. Nahegelegene Gebiete des Welterbes schließen Jiuzhaigou (Tib: Zitsa Degu) ein, das berühmt für seine atemberaubende Landschaft bewaldeter Täler und farbiger Seen und den Bestand an Wildtieren ist und jährlich mindestens eine Million chinesischer Besucher anzieht.

Die natürliche Schönheit des Megoe-Sees soll nun Chinas Hunger nach Elektrizität geopfert werden, die aber nicht den armen, heimatlosen und zwangsumgesiedelten Tibetern zugute kommen, sondern an die chinesischen Industriebetriebe unterhalb Tibets im Sichuanbecken gehen wird. Jede Entwicklung bringt Kosten und Nutzen mit sich. Doch die chinesische Industrie wird allen Nutzen aus diesem Projekt ziehen, während alle Kosten zu Lasten der Tibeter und der Landschaft gehen werden.

Die chinesische Zentralregierung sollte eingreifen, um dieses landschaftliche Juwel von globaler Bedeutung zu retten, damit es für die gesamte Menschheit erhalten wird. Die Rettung statt einer Umwandlung des Sees in einen Stausee stünde auch im Einklang mit Chinas offiziellem Programm zur Entwicklung des Westens, das den Schutz der Umwelt ebenso wie die Entwicklung fordert.

Link zu englischem Text

Der ungekürzte Text des Weißbuchs steht auf der Website der tibetischen Zentralverwaltung: www.tibet.net/publication/enviro/whitepaper.pdf

Gedruckte Kopien des Reports können beim Department of Information and International Relations, Gangchen Kyishong, Dharamsala, HP 176215, Indien, ecodesk@diir.gov.tibet.net, angefordert werden.