16. März 2004
TIN News Update
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TAR Behörden verbieten Buch einer tibetischen Verfasserin

Wie TIN zu Ohren kam, wurde ein Buch - die von der tibetischen Autorin Oser (chin. Weise) verfaßten "Notizen über Tibet" (chin. Xizang Biji) - im September 2003 von der Regierung der Autonomen Region Tibet verboten. Bei dem auf Chinesisch geschriebenen Buch handelt es sich um eine Sammlung von Aufsätzen, in denen die Autorin diverse Orte und ihre Begegnungen mit Menschen in Tibet schildert. Von den 38 in dem Buch enthaltenen Essays erschienen den Behörden zehn als dermaßen kontrovers, daß sie das Buch verboten. In diesen zehn Aufsätzen beschreibt die Autorin unter anderem die tief verwurzelte Achtung der Tibeter für den Dalai Lama, das Dilemma und die politische Einengung, in der sich ein tibetischer Mönch befand, der in offizieller Mission ins Ausland geschickt wurde, die Vertreibung einiger chinesischer Nonnen aus dem von dem (inzwischen verstorbenen) Khenpo Jigme Phuntsog gegründeten buddhistischen Institut Serthar (auch als Larung Gar bekannt) in der TAP Kardze (chin. Ganzi), Provinz Sichuan. (Siehe auch Sonderbericht von TIN: "Religious work" for the new century; the implementation of Party policy in Sichuan province. http://www.tibetinfo.co.uk/news-updates/2002/1804.htm, deutsche Übersetzung www.igfm-muenchen.de/tibet/Serthar%20Report%20TIN.html).

Wie TIN mitgeteilt wurde, ist die Autorin inzwischen von Lhasa nach Peking übergesiedelt. Ihre Arbeitseinheit, die Vereinigung für Literatur und schöne Künste der TAR (chin. Xizang zizhi qu wenlian) hat ihr nahegelegt, sie möge zurückkehren, allerdings unter der Bedingung, daß sie ihren politischen Fehltritt eingesteht. Es scheint indessen, daß die Autorin nicht gewillt ist, dem Druck nachzugeben. Einem in London lebenden tibetischen Gelehrten zufolge handelt "Notizen über Tibet" von den sozialen und wirtschaftlichen Entbehrungen sowie den religiösen Einschränkungen, welchen die Tibeter in Tibet ausgesetzt sind. Osers Buch sei eine der seltenen Veröffentlichungen in China, in der ein Tibeter offen die Probleme, mit denen sein Volk und Land sich auseinandersetzen müssen, bespricht.

Oser, eine Dichterin und Verfasserin einer Reihe von Artikeln auf Chinesisch, wurde 1966 in Lhasa geboren, doch zog die Familie bald in ihre Heimat, nämlich nach Derge (chin. Dege) in Kham, Sichuan. 1988 machte sie an der chinesischen Abteilung des Instituts für südwestliche Minderheiten (chin. Xinan minzu xueyuan) in Chengdu ihren akademischen Abschluß. Ihr erstes Buch "Für Tibet" (chin. Xizang zai shang) ist ein Gedichtband, der 1999 von dem Volksverlag von Qinghai herausgebracht wurde. Bis zu ihrem Abschied von Lhasa arbeitete Oser als Herausgeberin einer chinesischsprachigen Zeitschrift "Tibetische Literatur" (chin. Xizang wenxue). "Notizen über Tibet" ist ihr zweites größeres Werk und wurde im Januar 2003 von dem Huacheng Verlag in Guangzhou veröffentlicht. Der Grund, warum die Autorin ihr Buch einem Verlag in der Provinz Guangdong anvertraute, könnte sein, daß die Verlage es dort infolge des politisch weniger brisanten Klimas in der Küstenregion mit der Veröffentlichung von Texten mit politischen Implikationen nicht so genau nehmen.

Die Zensur und/oder das Verbot von Büchern ist nichts Außergewöhnliches in der TAR, oder der PRC. Das letzte Bücherverbot in der TAR erfolgte 2001, als Derong Tsering Dhondup sein monumentales Werk "Eine allgemeine Geschichte Tibets - erhabenes Gefäß" (chin. Zangzu tongshi. Jixiang baoping) herausbrauchte. Obwohl Derong Tsering Dhondups Buch von dem tibetischen Volksverlag in Lhasa verlegt worden war, erließen die Behörden kurz darauf die Verfügung, das Buch aus dem Verkauf zurückzuziehen. TIN konnte leider nicht herausfinden, ob das Buch inzwischen frei verkauft werden darf oder immer noch verboten ist.

Derong Tsering Dhondup wurde 1954 in Derong, TAP Kardze (chin. Ganzi), geboren; später war er als ein Kader an dem staatlichen Archiv der Präfektur Karze tätig. Er gab eine Reihe von Artikeln in Fachzeitschriften in China und Tibet heraus. Vor allem aber ist er der Autor von "Meine Aspirationen" (chin. Wo de xinyuan), eine Art Petition, die er seinerzeit an Jiang Zemin, Li Peng und Deng Xiaoping richtete. Dieses im November 1995 verfaßte Gesuch übte heftige Kritik an der von der Zentralregierung in den tibetischen Gebieten der Provinz Sichuan verfolgten Politik. "Meine Aspirationen" wurde dann wenig später von dem Informationsbüro der tibetischen Regierung-im-Exil in Dharamsala veröffentlicht.